Rot-Rot kämpft um den ÖBS

Nach Rückschlägen kann das Lieblingsprojekt der LINKEN mit 7500 Beschäftigten weitergeführt werden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Europaweit gerühmtes ÖBS-Projekt: Die Neuköllner Stadtteilmütter ND-
Europaweit gerühmtes ÖBS-Projekt: Die Neuköllner Stadtteilmütter ND-

Das Projekt läuft ausgezeichnet. Insgesamt fünf Mitarbeiter, die über den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) Berlins finanziert werden, betreiben eine Informationsstelle auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Lichtenberg. Das Interesse daran ist enorm: Tausende Besucher – viele von ihnen aus dem Ausland – ließen sich von den ÖBS-Beschäftigten über die Gedenkstätte der Sozialisten führen. »Ursprünglich wollten wir die Mitarbeiterzahl auf sieben aufstocken«, sagt Dietrich Lederer, der Leiter des Stadtteilzentrums Lichtenberg-Mitte. Doch seit Dezember vergangenen Jahres blieben die diesbezüglichen Anfragen beim Jobcenter unbeantwortet – ab dem Sommer muss die florierende Informationsstelle ganz schließen, befürchtet Lederer.

Ein offener Brief von 126 Betroffenen aus Lichtenberg an die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und den Haushaltsausschuss des Bundestages wegen der Probleme beim ÖBS aus der vergangenen Woche blieb bisher unbeantwortet. Dem ND liegen derweil weitere solcher Schreiben vor, die verdeutlichen, wie groß die Unsicherheit bei Betroffenen und Trägern des Arbeitsprogramms für Langzeitarbeitslose in der Stadt ist.

Gefährdet ist der ÖBS mit seinen 7500 Stellen in Berlin zur Zeit vor allem durch zwei Entwicklungen: Einmal wurden die Mittel für den Beschäftigungszuschuss bei den Jobcentern durch den Bund zu Jahresbeginn überraschend zuungunsten Berlins umgeschichtet. Und zweitens gilt das zweite von Rot-Rot genutzte bundesweite Förderinstrument, der Kommunal-Kombi, als gescheitert. Der Versuch von Rot-Rot, das LINKE-Referenzprojekt ÖBS durch einen gemeinsamen Antrag mit Bremen und Rheinland-Pfalz im Bundesrat doch noch in seiner alten Form zu erhalten, wurde allerdings in der Sitzung der Länderkammer am vergangenen Freitag abgelehnt.

Etwas Entspannung in die unsichere Finanzierungssituation beim ÖBS könnte dagegen der jüngst abgeschlossene Deal zwischen SPD und schwarz-gelber Bundesregierung bezüglich der Jobcenter bringen. Denn die vorläufige Haushaltsführung und die Haushaltssperre von 900 Millionen Euro für die Langzeitarbeitslosen waren ebenso ursächlich dafür, dass ÖBS-Stellen nicht wie geplant verlängert oder neu eingerichtet werden konnten.

Dieser Zustand dürfte sich jetzt nach ND-Informationen ändern. »Unserer Kofinanzierung steht nichts mehr im Wege«, erläutert der Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesarbeitsagentur, Olaf Möller, gegenüber ND. Denn nach Ostern soll die vorläufige Haushaltsführung bei drei Jobcentern in Berlin endgültig passé sein. »Dann starten wir mit allen Maßnahmen, so wie es sein soll«, stellt Möller in Aussicht.

Genau wie die Betroffenen und die Projektträger dürfte diese Nachricht auch den rot-roten Senat beruhigen. Dennoch plant der jetzt aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Wochen, den ÖBS künftig auf neue Füße zu stellen. »Wir wollen das Niveau von 7500 Stellen halten«, erläutert Anja Wollny, die Sprecherin von Sozialsenatorin Carola Bluhm. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen deshalb künftig zwei neue Varianten der Bundesförderung genutzt werden: Einmal ein Programm für über 62-Jährige, dazu die sogenannte Entgeltförderung.

Damit könnte dann vielleicht auch die gut laufende Informationsstelle auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde gesichert werden.

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