Akten aus dem Kanzleramt unter Verschluss

Schwierige Aufklärung: Asse-Untersuchungsausschuss bekommt nicht alle Dokumente aus Berlin

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Kanzleramt hält Akten zum Atommülllager Asse zurück, weil sie den »geschützten Kernbereich des Regierungshandelns« berühren.

Im Spätsommer 2008 häuften sich die Schreckensmeldungen aus dem Atommülllager Asse: Radioaktive Fracht war falsch deklariert worden, das Bergwerk diente auch als Deponie für Affenkadaver und hochtoxische Chemieabfälle, strahlende Lauge sammelte sich in großen Pfützen. Die zuständigen Bundes- und Landesministerien stellten die Asse unter Atomrecht, verfügten einen Betreiberwechsel und versprachen hoch und heilig die Aufarbeitung der Schlampereien.

Die Versprechen waren im Parteiengezänk schnell vergessen. Union und FDP sowie SPD, Grüne und LINKE warfen einander vor, die Aufklärung zu sabotieren oder nur so weit zu betreiben, wie es die eigenen Wahlchancen nicht beeinträchtigte. Im Sommer 2009 konstituierte sich im Niedersächsischen Landtag ein Asse-Untersuchungsausschuss. Neben der Befragung von Zeugen forderten die Abgeordneten die Akten in den Ministerien in Hannover und Berlin an, die die Geschehnisse um das Atommülllager dokumentieren. Entsprechende Anfragen gingen auch an das Bundeskanzleramt.

Doch das will dem Asse-Untersuchungsausschuss nicht alle Akten zur Verfügung stellen, wie aus einem gestern bekannt gewordenen Schriftwechsel hervorgeht. So hatte die Landtagsverwaltung im Januar im Auftrag des Ausschusses um die Übersendung weiterer Akten gebeten. Die bislang vorgelegten Unterlagen deckten »lediglich einen sehr begrenzten Zeitraum« ab, heißt es in dem Schreiben. Das Kanzleramt schrieb am 23. März zurück, dem Ausschuss sei »nach eingehehender Auswertung der vorliegenden Aktenbestände und nach rechtlicher Prüfung das den Untersuchungsgegenstand betreffende übersendungsfähige Schriftgut in Kopie zur Verfügung gestellt« worden. In »wenigen Fällen« sei von einer Übermittelung der Dokumente abgesehen worden, da diese sich auf den »geschützten Kernbereich des Regierungshandelns« erstreckten. Voraussetzungen für ein »ausnahmweises Beziehen von Beweismitteln aus dem Bereich des Bundes« lägen nicht vor.

Der niedersächsische Fraktionsvorsitzende der Grünen, Stefan Wenzel, sagt dagegen, das Bundeskanzleramt habe dem Ausschuss nur »einige wenige Seiten« aus dem Zeitraum von 1976 bis 1981 geliefert. In das Bergwerk Asse wurde aber von 1967 bis 1978 Atommüll gebracht. Betreiber war bis Ende 2008 das Helmholtz Zentrum München (ehemals Forschungszentrum GSF).

»In der Schachtanlage Asse hat eine Gesellschaft, die im Eigentum des Bundes und des Landes Bayern stand, Rechtsbrüche begangen und einen gewaltigen Umweltschaden hinterlassen«, sagt Wenzel weiter. Behörden des Bundes seien an der Vertuschung dieser Vorgänge aktiv beteiligt gewesen. Insofern sei es »geradezu lächerlich«, wenn das Bundeskanzleramt mitteile, dass sich die Untersuchung nicht auf bundesrechtliche und bundespolitische Beweisthemen erstrecken dürfe.

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