Teures Nass und die geheimen Verträge

Am 14. Juli verkündet Berliner Verfassungsgericht Urteil zu Akteneinsicht bei Wasserbetrieben

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche gegen den Senator für Finanzen – so hieß gestern die Konstellation der mündlichen Verhandlung vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Die Abgeordnete hatte 2007 beim Senat vollständige Akteneinsicht im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe beantragt. Dieses war ihr mit Hinweis auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie das vereinbarte absolute Stillschweigen mit den privaten Teilhabern verwehrt worden. Kosche sieht in der Teilablehnung ihre verfassungsmäßigen Rechte als Abgeordnete verletzt.

Jeder Abgeordnete hat das Recht, Einsicht in die Akten der Verwaltung und sonstige amtliche Unterlagen zu nehmen, heißt es in der Berliner Verfassung. Aber auch: Die Einsichtnahme darf abgelehnt werden, wenn private oder Staatsinteressen dies zwingend erforderlich machen.

1999 hatte das Land Berlin, angeführt von einer CDU/SPD-Koalition, an den Energieerzeuger RWE und den internationalen Wasserkonzern Veolia jeweils 24,95 Prozent der Anteile verkauft, im Besitz Berlins blieben 50,01 Prozent. Die Verkaufs- und Beraterverträge, Alternativvorschläge zum Teilverkauf, Protokolle, Gutachten umfassen insgesamt 90 000 Blatt Papier in 180 Aktenordnern – ein gigantischer Berg mit einem immensen Aufwand, alles nach geheim und nichtgeheim zu durchforsten.

Mit der Teilprivatisierung wuchs der Protest dagegen. In den Unterlagen sollen sich Gutachten befinden, die Alternativen zum Verkauf aufzeigen. Kritik auch an den Klauseln, die den Betreibern dauerhaft Gewinne garantieren. Mit dem Resultat, dass die Berliner Wasserpreise in den letzten Jahren kräftig in die Höhe schossen. Die Kalkulationen der Wasserpreise bleiben undurchsichtig und nicht nachvollziehbar. Deshalb mehren sich die Stimmen, die einen Rückkauf der Wasserbetriebe-Anteile fordern.

In der Verhandlung ging es um juristische Feinheiten und Auslegungen des Gesetzeswerkes. Etwa die Frage, ob »Einsicht in die Akten der Verwaltung« auch »Einsicht in die Akten der Landesregierung« bedeute. Ist Regierung auch Verwaltung? Ist Regierung Teil der Verwaltung oder Spitze der Verwaltung? Wann beginnen Verwaltungsakten Regierungsakten zu werden und umgekehrt? Kritisch setzten sich die Richter mit der Teilablehnung des Antrages auseinander und forderten die Senatsanwälte auf darzulegen, wo und wie mit der Akteneinsicht das öffentliche Interesse verletzt und die Regierungsarbeit beschädigt werden würde. Die Verabredung auf Stillschweigen dürfe nicht das Recht der Abgeordneten beschneiden. Auch das Senatsargument, wonach der Antrag auf Akteneinsicht zu unpräzise gewesen sei, wurde von den Richtern kritisch hinterfragt. Wie soll ein Abgeordneter präzisieren, wenn er nicht weiß, was drin steht? Außerdem, so die Richter, müsse ein Abgeordneter sein Begehren nicht begründen. Unter dem Strich: viel Missbilligung der Finanzverwaltung für Geheimniskrämerei und Umgang mit den Akten nach Gutsherrenart. Wie das Urteil ausfallen wird, legten sich die Richter nicht fest. Verkündet wird am 14. Juli.

Der Senat strebt nach eigenem Bekunden die Offenlegung der Geheimverträge an und hat mit den privaten Anteilseignern wiederholt Gespräche geführt. Diese hätten bisher zu keinem Ergebnis geführt.

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