Brücken zwischen den Welten

Das 16. Jewish Film Festival präsentiert trotz finanzieller Schieflage 23 Werke

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 4 Min.
Szene aus »Room and a Half«
Szene aus »Room and a Half«

Alle Jahre wieder bringt der schnöde Mammon das Jewish Film Festival an den Rand einer Existenzkrise. Dabei ist das alljährlich stattfindende deutschlandweit einzige jüdische Filmfest seit 16 Jahren eine unverwechselbare Größe in der Berliner und Potsdamer Festivallandschaft.

Da in diesem Jahr der langjährige Geldgeber Hauptstadtkulturfonds absprang, fehlten dem Festival nun mehr als 50 Prozent seines bisherigen Etats. Doch Nicola Galliner, die Leiterin des Festivals, machte unbeirrt weiter – mit eingeschränktem Programm. Nach nationalem und internationalem Protest gab es im Februar kurzfristig doch noch Unterstützung durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie und die Senatskanzlei. Dennoch bedeutet das in diesem Jahr weniger Gäste und Service. So müssen Zuschauer etwa auf das praktische Programm-Faltblatt verzichten.

Was hätte man verpasst, wenn das Festival nicht stattgefunden hätte? So einiges, etwa »Romeo und Julia« auf Jiddisch. Eve Annenbergs Spielfilm handelt von jungen, Jiddisch sprechenden New Yorkern aus der ultraorthodoxen Satmer-Sekte. Abgeschirmt von jeglichem modernen Einfluss müssen sie außerhalb der Bühne Shakespeares Sprache und alltägliche Dinge wie das Fernsehen erst einmal (kennen) lernen.

Das Programm umfasst 23 Filme aller Genres, u.a. aus den USA, Israel, Deutschland oder Russland. Unterhaltsames ist darunter, wie der französische Film »He's my Girl«, über einen schwulen Klezmer-Musiker, der zwischen zwei Liebhabern und seiner jüdischen Über-Mutter hin- und hergerissen wird. Trotz aller Kurzweil bleiben aber auch in diesem Jahr Exil und Holocaust ein roter Faden des Programms.

Vermittelt wird er direkt oder indirekt, vor allem in Dokumentationen. So erfahren wir in der Doku »André Previn – Eine Brücke zwischen den Welten«, dass der weltberühmte Komponist und Dirigent ein gebürtiger Schöneberger ist. Mit neun Jahren floh er mit seiner Familie aus Nazideutschland und fand in den USA Asyl. Der extrem produktive Künstler und Oscar-Preisträger, den Lillian Birnbaum und Peter Stephan Jungk porträtieren, ist ein Frauenliebhaber und wahrer Weltenbürger und blickt nicht ohne Ironie auf sein Leben zurück.

Von einem weiteren Exilanten, dem russischen Dichter und Nobelpreisträger Jossif Brodskij handelt Andrej Chrzhanovskijs verträumt-spielerischer Spielfilm »Room and a Half«. Die filmische Biografie überzeugt mit surrealen Bildern wie fliegenden Klavieren und eingestreuten Tieranimationen. In bearbeiteten Schwarz-Weiß- und Farbbildern erzählt sie realistisch und doch poetisch von Brodskijs Kindheit und Jugend während des Stalinismus in Leningrad.

Jüdische Frauenpower erleben wir dagegen in »Ahead of Time«, Bob Richmans Dokumentation über die engagierte Reporterin Ruth Gruber. Die Tochter traditionsbewusster New Yorker Juden erlebte während eines Studienaufenthalts in Köln 1931 eine Rede Hitlers und die öffentliche Hysterie um seine Person. Ihr Bericht über Frauen in der sowjetischen Arktis dagegen hätte ihr im Zuge der Kommunistenhatz in den USA fast ein Berufsverbot eingehandelt. Ruhm erlangte die heute 98-Jährige vor allem durch ihr Buch über die »Exodus», das Schiff voller Holocaust-Überlebender, das von den Briten 1947 beschossen wurde.

Den anhaltenden Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis behandelt »Forever Scared« von Dorit Zimbalist anhand eines Porträts von Sayed Kashua. »Wer zum Teufel ist dieser Araber, der auf Hebräisch schreibt?«, wird er auf einer Podiumsdiskussion zu einem seiner Bücher gefragt. Der heute 35-jährige Autor, der unter anderem die erfolgreiche TV-Serie »Arab Work« schrieb, fühlt sich nirgendwo recht zugehörig. Dennoch wirbt er mit seinem Werk und in Gesprächen um die Verständigung zwischen beiden Völkern.

In der russischen Community in Israel schließlich spielt »Five Hours from Paris« von Leonid Prudovsky. Die charmante Tragikomödie handelt von unmöglicher Liebe, Flugangst und der Verehrung eines Taxifahrers für den Chanson-Sänger Joe Dassin.

Anlässlich des 65. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs gibt es eine besondere Rarität: Axel Cortis Trilogie »Wohin und zurück», die auf autobiografischen Erlebnissen des österreichischen Autors Georg Stefan Troller beruht. Als US-Soldat bekämpfte der jüdische Emigrant Hitler-Deutschland. Den heute 88-Jährigen erwartet das Festival nun als Ehrengast.

Vom 25. April bis 9. Mai im Kino Arsenal, Tel: 030-26 95 51 00 und Filmmuseum Potsdam; Infos unter www.jffb.de

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