Die große Familie erreicht Madrid

Als starke Einheit bezwingt Bayern im Halbfinalrückspiel der Champions League Lyon mit 3:0

  • Elisabeth Schlammerl, Lyon
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast hätte Ivica Olic die Party verpasst, die Party vor der Kurve, bei der er die Hauptrolle spielen sollte. Der Kroate plauderte auf der anderen Seite mit den Trainern, als die Rufe nach ihm immer lauter wurden. Also spurtete er noch einmal über den ganzen Platz. Der Stürmer des FC Bayern München sprang und hüpfte mit den Kollegen. Fast eine halbe Stunde lang dauerte der Auftritt vor den Fans, und die Spieler schienen, nach dem 3:0-Sieg gegen Olympique Lyon und dem Einzug ins Finale der Champions League einfach nicht müde zu werden.

Dass der FC Bayern Ausdauer hat, bewies er zuletzt immer wieder, und der Marathonmann ist eben Olic. Er wäre am Dienstagabend wohl auch noch die zehn Kilometer vom Stade Gerland zum Bankett-Hotel gelaufen, wenn es geholfen hätte. Aber er hatte seinen Job schon zuvor glänzend erledigt und alle drei Treffer im Halbfinalrückspiel gegen die Franzosen erzielt. In der Champions-League-Torjägerliste hat er sich damit in prominenter Gesellschaft etabliert. »Messi, Ronaldo, Olic – das sieht nicht schlecht aus«, fand der 30-jährige Kroate.

Aber es war nicht nur der Sieg von Olic, sondern der eines Teams, das »fast Fußball in Vollendung« bot, wie Uli Hoeneß fand. Der Präsident klingt bei großen Siegen gerne pathetisch, aber am Dienstabend widersprach ihm niemand. Die Bayern überrollten eine Mannschaft, die immerhin das Millionen-Ensemble von Real Madrid ausgeschaltet hatte, beherrschte Lyon taktisch und spielerisch, wie man es bisher nur den beiden anderen Halbfinalisten Barcelona und Inter Mailand zugetraut hatte.

Die Mannschaft glänzt nicht in erster Linie durch ihre Einzelkönner, sondern durch das Kollektiv. So feierte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge den FC Bayern in seiner Bankettrede als »große Familie, die sehr eng zusammengerückt ist in einer Zeit, in der es noch nicht so gut ging, die Geduld gezeigt hat und in die Spur zurückgekehrt ist.«

In der Stunde des Triumphes erinnerte Rummenigge deshalb auch an jene, die nicht dabei waren. Franck Ribéry, der nach seiner Roten Karte im Hinspiel für drei Spiele gesperrt wurde und auch im Finale am 22. Mai in Madrid fehlen wird, und Anatoli Timoschtschuk, der nicht – wie zunächst verlautbart – wegen eines Virus in München geblieben war, sondern weil Komplikationen bei seiner mit Zwillingen schwangeren Frau aufgetreten sind.

Verantwortlich für die enorme Entwicklung – genau ein Jahr nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann – ist Trainer Louis van Gaal. Der Niederländer hat den FC Bayern zu alter Stärke reifen lassen, mit seinem Gespür trifft er meist die richtige Entscheidung. In Lyon ließ er Hamit Altintop auf der für ihn ungewohnten Position des gesperrten Ribéry spielen, und den Franzosen vermisste angesichts der Leistung des türkischen Nationalspielers niemand.

Ganz nebenbei schafft es van Gaal, die Mannschaft zu verjüngen. Mit Thomas Müller, Holger Badstuber, Diego Contento und David Alaba standen am Dienstag vier Spieler auf dem Platz, die nicht älter als 21 Jahre sind. Außerdem schärft van Gaal im Kampf um drei noch mögliche Titel die Konzentration immer nur auf das nächste Spiel. So leitete er noch in der Kabine in Lyon die Vorbereitung auf das vorletzte Bundesligaspiel am Samstag gegen Bochum ein. »Wir leisten Unglaubliches mit der Mannschaft«, sagte er selbstbewusst. »Aber wenn wir alles verlieren, spricht niemand mehr über den FC Bayern.«

Lyon: Lloris - Reveillere, Cris, Boumsong, Cissokho (46. Gomis) - Gonalons, Makoun - Gouvou, Delgado (67. Pjanic), Bastos - Lisandro (79 Ederson).

FC Bayern: Butt - Lahm, van Buyten (46. Demichelis), Badstuber, Contento - Schweinsteiger (78. Alaba), van Bommel - Robben (76. Klose), Altintop - Müller, Olic.

Tore: 0:1, 0:2, 0:3 Olic (26., 67., 78.). Gelb-Rot: Cris (59.) (unsportliches Verhalten). Schiedsrichter: Busacca (Schweiz). Zuschauer: 39 414 (ausverkauft).

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