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Ein Mann – ein Werk

Randy Newman gab im Admiralspalast sein einziges Deutschlandkonzert

  • Carloff Wiltner
  • Lesedauer: 4 Min.

Als ich las, dass Randy Newman sein einziges Deutschlandkonzert in Berlin geben würde, war ich begeistert. Den Meister des beiläufigen Tiefsinns und des düsteren Frohsinns (oder der fröhlich gestimmten Trübsal?), den Musikautor, der ganz nebenbei noch ein paar Oscars für Filmmusiken entgegennehmen durfte und der spätestens durch die Titelmelodie zu der TV-Serie »Monk« Unzähligen einen Ohrwurm geschenkt hat, den Mann, der mit Klassikern wie »Mama Told Me Not To Come« oder »You Can Leave Your Hat On« seinen Platz in der Popgeschichte gesichert hat – den wollte ich unbedingt einmal live sehen.

Doch als das Konzert näher rückte, beschlichen mich Zweifel. Newman schreibt Lieder. Seine Musik beugt sich den Texten. Sie fungiert als Soundtrack zu seinen Geschichten. Die Studioaufnahmen treffen durch detaillierte Arrangements oft filigran und unaufgeregt ins Herz seiner Worte. Was sollte mir dieser Mensch allein – nur mit seinem Flügel auf einer sonst leeren Bühne – geben können, was ich nicht auch aus seinen Aufnahmen ziehen könnte?

Das Konzert am Montag im Admiralspalast war ausverkauft, und weil ich gerade so pünktlich ankam, konnte ich nur noch einen Platz in der letzten Reihe des obersten Rangs ergattern. Und so fühlte ich mich drei Stücke lang problemlos in meinem Zweifel bestätigt – bis Newman mich in seinen Bann zog.

All seine Vorzüge kamen an diesem Abend erst zur wirklichen Entfaltung. Er setzte musikalische Pointen, verschleppte Takte, fügte während der Stücke kleine Fußnoten ein, alles so, wie es das jeweilige Lied gerade verlangte – kurz: Er begleitete sich selbst nach Herzenslust. Das war manchmal traurig, manchmal lustig, meistens jedoch beides. Denn Newman zieht seine Energie aus einem optimistischen Fatalismus. Und Newman hat eine sehr charmante und verspielte Art, sich seinem Schicksal zu fügen.

»Das nächste Lied schrieb ich für meine erste Frau, während ich bereits mit meiner zweiten Frau verheiratet war.« Das ist soweit ein ganz guter Witz, der erst durch die Ehrlichkeit und Sehnsucht eines folgenden Liebesliedes seine bittere Pointe vollendet. Und als Newman während des Vortrags von »You Can Leave Your Hat On« einwirft, dass er, als er den Song geschrieben hat, das Ganze eher witzig fand und erst heute erkennt, dass das Stück bitteren Alltag widerspiegelt, da wird deutlich, was seine Lieder ausmacht. Sie sind ein Teil von ihm, sie gehören zu ihm, wachsen und verändern sich mit ihm. Die Geschichten, die er mit ihnen erzählt, nehmen heute einen anderen Ausgang. Doch Newman hat das Recht, seine Lieder zu manipulieren, schließlich sind es seine Geschichten.

Durch diesen Trick fügten sich an diesem Abend auch seine alten und die Stücke seiner aktuellen CD »Harps And Angels« nahtlos zu einem Programm. Denn neben Abrechnungen mit der alten Bush-Regierung gibt es auf dieser Platte viele Stücke über das Altern und Rückschauen eines Ältergewordenen. Zum Beispiel den Titelsong »Harps And Angels«, der in der Gesangslinie eher im Plauderton gehalten ist, sich aber akustische Accessoires wie einen Backgroundchor nicht nehmen lässt. Da ihm diese Unterstützung am Montagabend nicht zur Verfügung stand, blieb Newman nichts anderes, als den Chor selbst zu imitieren. Das ist die Kunst des großen Geschichtenerzählers.

Dass ihm die Musik jedoch mehr ist als bloße Untermahlung seiner Geschichten, sondern dass Randy Newman auch ein großer Komponist ist, das machte dieses Konzert in Minimalstbesetzung jedoch ebenso klar. Die Stücke wurden durchsichtig, und allein »In Germany Before The War« war ein beeindruckender Beleg für Newmans Kunst. Wie sich hier die musikalischen Themen des Mörders und seines Opfers wundervoll disharmonisch ineinander fügen, war phänomenal. Diese Darbietung versöhnte mit der gesamten Idee eines Konzerts, das nicht mehr brauchte als diesen Mann und seinen Flügel.

Aktuelle CD: »Harps And Angels« (Nonesuch/Warner Music)

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