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Jüdisches Museum erhält Akademie

Stararchitekt Libeskind gestaltet bis Herbst 2011 Erweiterungsbau in Blumengroßmarkthalle

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Welchen Teil über jüdisches Leben in Deutschland hast Du genau bearbeitet?« Die beiden Schüler im Bus der Linie 248 der BVG, die auf der Fischerinsel zugestiegen sind, feilen noch schnell an ihren Vorträgen, bevor sie – mit selten erlebtem Elan – ein paar Stationen später am Jüdischen Museum in der Lindenstraße aussteigen.

Sinnbildlich steht die Schülergruppe für den enormen Erfolg, den das Jüdische Museum seit seiner Eröffnung im Jahr 2001 hat: Wie diese Schüler nutzten allein im vergangenen Jahr 100 000 Besucher die Bildungsangebote des Jüdischen Museums Berlin (JMB). Neben Fortbildungen, Workshops und Projekttagen besuchten darüber hinaus rund 755 000 Besucher die historischen Ausstellungen, die Gebäude und den Garten des Exils.

Die Folge ist akuter Platzmangel, der nun durch einen Erweiterungsbau in der gegenüberliegenden Blumengroßmarkthalle behoben werden soll. »Mit den Ausstellungsflächen sind wir sehr zufrieden«, berichtete gestern bei der Präsentation des Bauvorhabens Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des JMB. Aber für die Bildungsarbeit, die Forschung, das Archiv und die Bibliothek gebe es viel zu wenig Platz. Schülergruppen etwa müssen mit einem fensterlosen Stauraum im Keller des Museums vorlieb nehmen. Dieses große Mako soll nun bis Herbst 2011 behoben sein. Pünktlich zur Pressevorstellung flatterte auch die Baugenehmigung ins Haus.

Finanziert wird der geplante Erweiterungsbau des Jüdischen Museums mit sechs Millionen Euro durch den Bund, die restlichen vier Millionen Euro steuern Mäzene des US-amerikanischen Freundeskreises des JMB bei. »Der amerikanische Freundeskreis deckt mit dieser Summe die Planungskosten«, erläuterte der Geschäftsführende Direktor des JMB, Börries von Notz, der sich auch über die gelungene Kooperation von Bundesregierung, Senat und Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bezüglich der Realisierung des Projekts freute.

Als Architekt konnte erneut Daniel Libeskind gewonnen werden, der schon den verzinkten Neubau und den Glashof des Jüdischen Museums entwarf. Die Gestaltungsvorstellungen für die Akademie des international renommierten Starplaners, die das bestehende Ensemble ergänzen soll, wurden gestern erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt: Grundsätzlich soll die in den 1960er Jahren erbaute Blumengroßmarkthalle erhalten bleiben. Libeskind plant in seinem Konzept, drei Kuben in die Halle einzufügen – bereits im bestehenden Museum war von ihm diese Form verwendet worden. An den Längsseiten der Halle sollen zudem weitere funktionale Einbauten vorgenommen werden. Rund 60 Prozent der Fläche der Halle werden so neu bebaut. Zwischen dem Eingangskubus, dem Bibliothekskubus und einem Auditorium sowie den angrenzenden Räumen und Büros soll überdies einmal ein »Biblischer Garten« angelegt werden, für den es bisher allerdings noch keine Finanzierung gibt. Die restlichen 40 Prozent der Halle will das JMB mit Kooperationspartnern temporär nutzen.

Die drei Kuben, deren Außenhülle aus Holz gebaut werden soll, stehen bei Libeskind für hölzerne Transportkisten, in denen die Nachlässe emigrierter und vertriebener Juden nach Deutschland zurückgebracht und vom JMB für die Forschung erhalten werden. »Die Neigungen der Kuben sollen dabei die Bewegung der Transportkisten darstellen«, erläuterte Projektleiter Jochen Klein vom Büro Libeskind. Die integrierte Bauweise hat auch einen ökologischen Hintergrund: Eine komplette Beheizung der Halle wäre nicht nur Energieverschwendung, sondern auch zu teuer. Ob der Neubau der Akademie die große Attraktivität des Jüdischen Museums steigern wird?

Cilly Kugelmann glaubt angesichts der Tendenz fest daran. An der Lindenstraße dürfte sich künftig eines der relevantesten Forschungs- und Bildungszentren zur Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums entwickeln.

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