Patrice Lumumba

Gebrochene Hoffnung

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Einst war er die Hoffnung Afrikas. Patrice Emery Lumumba führte nicht nur die revolutionäre Bewegung Kongos an. Als erster gewählter schwarzer Präsident eines afrikanischen Staates verkörperte er auch die Abkehr von der bis dahin ehernen Kolonial-Regel, dass der Kontinent von einer weißen Elite regiert werden müsse. Heute erinnern an den unter Mithilfe von belgischen und US-amerikanischen Geheimdiensten ermordeten Lumumba nur noch einige Statuen sowie Straßen und Plätze, die seinen Namen tragen. Einige dieser Straßen besuchte und fixierte der südafrikanische Fotograf Guy Tillim.

Seine Bilder aus der Serie »Avenue Patrice Lumumba«, die jetzt in der Galerie Kuckei + Kuckei in der Linienstraße ausgestellt werden, sind Zeichen einer kargen Realität. Tillim, einst Agenturfotograf in Afrika, der jetzt vorwiegend selbst bestimmten künstlerischen Projekten nachgeht, war im Kongo, den ehemals sozialistischen Staaten Angola und Mosambik sowie in Madagaskar unterwegs. In den meisten anderen afrikanischen Ländern ist es weniger wahrscheinlich, auf Würdigungen Lumumbas im Straßenbild zu stoßen.

Als ein Triumphzug gestaltet sich diese Reise nicht. Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass die Lumumba Avenues einst repräsentativen Charakter trugen, ist davon nur noch wenig zu bemerken. Am deutlichsten ist der Verfall bei Tillims Aufnahmen des ehemaligen Grand Hotels in Beira zu beobachten. Das 1954 als »Perle Afrikas« eröffnete Hotel in der mosambikanischen Provinzstadt ist komplett ausgeweidet. Stumpfer, grauer Beton dominiert.

Ramponiert und trostlos

Kaum weniger karg muten die jetzt noch bewohnten Innen- und Außenräume an, die Tillim an anderer Stelle vor die Kamera genommen hat. Farbe bröckelt von den schmucklosen Wänden. In den Amtsstuben wellt sich das Papier der gestapelten Akten. Das Mobiliar ist ramponiert. Im Schreibzimmer des Rathauses von Likasi wird die Kargheit des Ambientes durch ein Bild Laurent Desiré Kabilas, einem früheren Gefolgsmann Lumumbas, der ihm drei Jahrzehnte später als Präsident folgte und ebenfalls ermordet wurde, noch stärker hervorgehoben.

Sehr stoisch, sehr statuarisch wirken die wenigen Menschen, die einzelne Aufnahmen Tillims bevölkern. Zwar ragen sie vital aus der schäbigen Umgebung heraus; gleichzeitig scheint sich aber der lähmende Schleier der Verhältnisse über sie zu legen. Für Abwechslung sorgt allein die Blütenpracht des Botanischen Gartens von Maputo, der sich ebenfalls an einer Avenue Patrice Lumumba befindet. Einen Anflug von Melancholie strahlt die verhüllte Statue des früheren angolanischen Präsidenten Agostinho Neto in Sumba aus. Ein kleiner dekorativer Zauber weht durch das Ornament einer Gardine des Rathauses von Lubumbashi herbei. Doch meist macht sich eine ungeheure Trostlosigkeit breit.

Ob Tillim tatsächlich die Charakteristik der jeweiligen Orte eingefangen hat, wird nicht ganz klar. Zu deutlich ist seine Neigung, die Kamera auf das Randständige, das erst auf den zweiten Blick Interessante zu richten. Der ein Jahr nach Lumumbas Tod geborene Fotograf inszeniert Afrika als ein aus Beton geformtes und von Menschen weitgehend verlassenes Areal. Das ist eine so beklemmende wie eindrückliche Botschaft.

Kuckei + Kuckei. Linienstraße 158, bis 3.7.2010, Di.-Fr. 11-18, Sa. 11-17 Uhr

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