Audioführung, Wald, Sauen,

August Bier veränderte den Wald um die Gemeinde Sauen / Seine Erben zeigen stolz das Ergebnis

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Reviergrenzen erkennt man sofort: Auf der einen Seite stehen kränkelnde Kiefern im trockenen märkischen Sand, direkt daneben ein üppiger Mischwald mit Buchen, Eichen und Unterholz. Das ist der Sauener Wald. Er umschließt Anger und Kirche, das Gutshaus und die Ziegelhäuser von Sauen, einem Hundert-Seelen-Dorf in der Nähe von Beeskow. Diesen Vorzeigewald mit seinem großen Artenreichtum kann man nun mit elektronischen Führern erkunden, sogenannten Audioguides, wie man sie aus Museen kennt.

Der Sauener Wald ist das Werk von August Bier, einem international bekannten Mediziner, der bis 1932 die Chirurgische Klinik der Berliner Charité leitete. 1912 erwarb er das Gut Sauen mit 700 Hektar Kiefernmonokultur. Forstwirtschaftliche Kenntnisse besaß er nicht. Allein auf Basis seiner Beobachtungen machte er sich daran, in der hügeligen Endmoränenlandschaft einen gesunden Mischwald zu schaffen. Sein Leitfaden war Heraklits Maxime: »Gegensätze fügen sich zur Harmonie.«

»Bier setzte Tiefwurzler gegen Flachwurzler, Strauch gegen Baum, Laubbaum gegen Nadelbaum«, erläutert die Sauener Försterin Monique Müller. »Er pflanzte Eichen, Buchen, Ahorn und Kastanie zwischen die Kiefern. Das Streuholz blieb liegen, um neuen Humus zu bilden.« Herausforderungen waren der nährstoffarme Sandboden und das trockene Klima. »Bier legte deshalb eine Art Verband um den Wald«, erzählt die Försterin. »Er umhüllte ihn mit Büschen, Hecken und Alleen, um zu verhindern, dass der Wind in den Wald hinein pfeift, den Boden austrocknet und die äußeren Baumreihen entwurzelt.«

Bereits in den 1930er Jahren konnte das Experiment als gelungen gelten. August Bier starb 1949. Das Gut wurde enteignet; Sohn Heinrich übernahm die Pflege des Waldes. Er konnte das Gelände unter den Schutz der Forsthochschule Eberswalde stellen, so dass es als Versuchsrevier von intensiver Nutzung verschont blieb.

Nach der Wende gründeten die Nachfahren Biers eine Stiftung, die seither den Wald erhält und wissenschaftliche Untersuchungen betreibt. Immer wieder hat man überlegt, wie man das Gebiet am besten der Öffentlichkeit zugänglich machen könnte. »Wir wollten keinen Schilderwald wie im botanischen Garten«, erklärt Försterin Müller. »Deshalb kamen wir auf die Idee mit den elektronischen Führern.« Seit April kann man die roten MP3-Player nun ausleihen, die nicht nur Führungen auch auf Englisch und Polnisch, sondern zwei Niveaus im Angebot haben. »Es gibt entweder eine Begleitung mit leicht verständlichen Erklärungen der wichtigsten Eigenschaften des Waldes oder eine Fachführung für forstlich Interessierte«, erläutert Müller. »Wir planen auch eine Version für Kinder.« Der Audio-Pfad beginnt im Dorf und ist etwa drei Kilometer lang. Der Guide beschreibt die Geschichte des Sauener Waldes und das Wirken August Biers, dessen verstecktes Waldgrab gestreift wird. Am Wegesrand stehen einige Objekte von Berliner Kunststudenten: Mal schälen sich drei Meter hohe Holzskulpturen erst auf den zweiten Blick zwischen den Baumstämmen heraus. Anderenorts bilden knallrote Baummanschetten aus Plexiglas einen auffälligen Kontrast im Waldesgrün.

Ausleihen kann man die Audioguides im historischen Backhaus von Sauen, wo die Stiftung ihren Sitz hat. Es gibt dort ein Café; außerdem finden Ausstellungen, Filmvorführungen und Vorträge statt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Dorf, dessen Name sich vom wendischen Wort für »Eule« herleitet, nicht zu erreichen. Am besten reist man mit dem Fahrrad an: Durch Sauen führt der Radweg »Märkische Schlössertour«; eine idyllische Radpartie sind auch die 15 Kilometer nach Bad Saarow. Die Visionen Biers sind angesichts des Klimawandels aktuell. »Ein gesunder Mischwald ist die widerstandsfähigste Option gegen Schadstoffbelastungen, Klimaveränderungen und Schädlingsbefall«, meint Conrad Baldamus, ein Enkel von August Bier, der die Stiftung leitet. Auch die Tierwelt wisse das zu schätzen. »Unser Wald ist ein Gourmet-Tempel für das Wild. Wir hatten sogar schon russische Elche zu Gast.« Die Prinzipien des Großvaters werden heute konsequent weitergedacht. »In letzter Zeit pflanzen wir vermehrt Esskastanie, Nussbäume und Douglasien an, da diese mit langen, heißen Trockenperioden besser klarkommen«, erklärt der Enkel.

Gefahr droht aber von unten: Der Energiekonzern Vattenfall plant, in der Region CO2 zu verpressen. Sollte es dabei zur Versauerung des Grundwassers kommen, bedeutete dies das Ende für den fast hundert Jahre alten Wald.

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