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Strippende Stahlträger

»Ladies Night« startet an der Komödie Berlin

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 4 Min.
Showtime bei Ladies Night
Showtime bei Ladies Night

Nackte Tatsache ist, dass die Inszenierung dieses Stücks nur mit Herz gelingen kann. Das hat Folke Braband mit »Ladies Night« der Neuseeländer Stephen Sinclair und Anthony McCarten geschafft. In welcher prekären Situation sich die arbeitslosen Arbeiter Craig, Barry und Norman befinden, wird in den ersten Szenen deutlich. Ihre englische Provinzstadt ist voll mit Männern wie ihnen, seit die Stahlwerke dicht gemacht wurden. Nun hocken die Kerle im Hinterzimmer einer Kneipe, klopfen Sprüche und teilen das Geld, das sie bei Gelegenheitsjobs »auf die Kralle« verdient haben. Von der Stütze allein können sie nicht leben und schon gar nicht ihre Schulden bezahlen. Was aus ihnen werden könnte, wenn das so weitergeht, sehen sie an dem alten Grahame, der immer besoffen in der Kneipe hockt.

Diese Geschichte, uraufgeführt 1987 in Auckland, wurde 1997 von Peter Cattaneo verfilmt. Er drehte im englischen Sheffield »The Full Monty«. Der Streifen wurde international berühmt und heimste Preise ein. Hier kennt man ihn unter dem Titel »Ganz oder gar nicht«. Folke Braband brachte das Stück 1998 in Berlin in der Tribüne schon einmal heraus. Die Produktion, die nun in der Komödie am Kurfürstendamm zu erleben ist, entstand gemeinsam mit dem Fritz Rémond Theater Frankfurt am Main und der Komödie im Bayerischen Hof München. Die von Männerhumor geprägte deutsche Übersetzung von Annette und Knut Lehmann ist witzig. Tom Prestings Bühnenbild zeigt das Kneipenhinterzimmer und die schon von Gläubigern ausgeräumte Wohnung einer der Männer in schmuddeliger Kargheit. Die Kostüme von Monika Seidl entsprechen diesem Umfeld. Und die humorvolle Choreografie von Angela Hercules-Joseph lässt es an nichts fehlen, was dieses Stück braucht.

Für solcherart Theater wurde der Begriff Sozialkomödie erfunden, obwohl Tragikomödie ausreicht. »Ladies Night« ist eine von jener Art, bei der man mit den »Helden« und nicht distanziert über sie lacht. Rührend ist dargestellt, wie die Männer bei allen Meinungsverschiedenheiten füreinander einstehen, sich auch gegenseitig trösten. Als Ausweg aus ihrer problematischen Lage planen sie, gemeinsam als Stripper aufzutreten. Darauf wären sie vorher nicht im Traum gekommen. Doch sie erfahren, dass die »Chippendales« – eine Stripper-Truppe – bei einem einzigen Gastspiel in ihrer Stadt viel Geld verdienen. Da wittern die arbeitslosen Stahlarbeiter auch ihre Chance. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Warum also sollen sie nicht auch für Knete die Hosen fallen lassen?

Von dem Namen »Die strippenden Stahlträger« kommen sie aber glücklicherweise wieder ab. Sie finden noch zwei unerschrockene Mitstreiter. Der alte Grahame entpuppt sich als früherer Tanzlehrer, der ihnen die Choreografie anhand eines Fußballspiels erklären kann. »Die wilden Stiere«, wie sie sich letztlich nennen, bringen es tatsächlich zum großen Auftritt. Auch wenn es zwischendurch aussieht, als würde die Sache nie klappen. Das macht die gute Geschichte schließlich aus.

In Pascal Breuer als Craig, Sebastian Goder als Barry, Torsten Münchow als Norman, Rudolf Otahal als Grahame, Eduard Burza als Wesley und Dominik Meurer als Gavin fand Braband die treffenden Männertypen. Allesamt sind erfahrene Schauspieler und von Anfang an sicher im Spiel. Die kurze Rolle von Jay, der verzweifelt, jedoch total ungeeignet versucht, bei der Truppe mitzumachen, um Geld für seine Kinder heranzuschaffen, spielt schön ungelenk Benjamin Knight.

Zunächst sah es so aus, als würde Torsten Münchow als ängstlicher Ehemann den anderen Mimen in der Publikumsgunst bei der Premiere den Rang ablaufen. Das geschah jedoch nicht, denn jeder der Schauspieler bekommt seine Chance in dieser Inszenierung. So war es am Ende nicht der Einzelne, sondern die Truppe, die bejubelt wurde. Und das nicht nur, weil die Männer die Hosen tatsächlich runterließen, sondern auch, weil sie mit ihrem gekonnten Spiel für herzhaftes Lachen sorgten. Deshalb kann man nur hoffen, dass die rundum gelungene Inszenierung länger als geplant am Kudamm zu sehen sein wird.

Bis 13.6., Komödie am Kurfürstendamm, Kurfürstendamm 206, Charlottenburg, Karten-Tel.: 88 59 11 88, Infos im Netz auf: www.komoedie-berlin.de

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