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Mit Beethoven gegen die Armut ansingen

Das DOK.fest München zeigte Filme aus der Demokratischen Republik Kongo

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.
Es gibt viele Gründe für Verzweiflung für die Bürger des einstigen Zaire. Dass es auch Gründe für vorsichtigen Optimismus geben könnte, beweisen die Filme, die junge Filmemacher aus Kongo in München präsentierten.

Die Demokratische Republik Kongo ist reich an Bodenschätzen, die die Welt braucht: Kupfer, Coltan, Gold, Silber, Diamanten, Erdöl, Kobalt. Trotzdem ist sie eines der ärmsten Länder nicht nur Schwarzafrikas, sondern weltweit. Einst wütete der (belgische) Kolonialherr mit auch unter Kolonialherren beispielloser Rücksichtslosigkeit, und bald nach der Unabhängigkeit kam mit Mobutu Sese Seko einer der ausdauerndsten aller afrikanischen Diktatoren an die Macht. Seit seinem Sturz zerfleischen Bürgerkrieg, aufständische Unruhen und Übergriffe durch die Nachbarstaaten das Land. Mord, Verschleppung und Vergewaltigungen sind in den Ostprovinzen an der Tagesordnung, Gesundsheitsvorsorge und Bildungschancen selbst in der Hauptstadt Kinshasa für die meisten Kongolosen minimal.

Wieviel sich geändert hat seit den Zeiten Mobutus untersuchten Monique Mbeka Phoba und Guy Kabeya Muya in ihrem erfrischend pfiffigen Einstünder »Entre la coupe et l'élection« (Zwischen Weltcup und Wahlen). Mit den Wahlen sind die vom Sommer 2006 gemeint, die ersten demokratischen (fast) seit der Unabhängigkeit. Und mit dem Weltcup die Fußballweltmeisterschaft von 1974, an der das von Mobutu unterstützte Team aus Kongo (damals Zaire) als allererste schwarzafrikanische Mannschaft teilnahm. Die Nationalspieler von einst sind heute verarmt oder tot, aber die Nation schöpft dank der freien Wahlen neue Hoffnung.

Einer der eindrücklichsten Filme der Münchner Afrika-Reihe wurde von der GTZ, der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, in Auftrag gegeben (und wohl deshalb von der auf ihren künstlerischen Ruf bedachten Berlinale abgelehnt). Bei »State of Mind« von Djo Tunda Wa Munga ist die Kamera mit im Raum, wenn der Bostoner Körperpsychotherapeut Albert Pesso mit Bürgerkriegsopfern arbeitet, um Selbstvertrauen und Zukunftshoffnung wiederherzustellen. Denn ein Staat, dessen Bevölkerung nicht in die Zukunft blickt, weil sie noch mit den Narben der Vergangenheit beschäftigt ist, kann auch wirtschaftlich nicht »funktionieren«, sagt ein GTZ-Verantwortlicher in die Kamera – und bringt damit den einzigen Missklang in einen ansonsten erstaunlich sanften Film, der Hoffnung macht auf eine schrittweise Überwindung der kollektiven Traumatisierung.

Djo Tunda Wa Munga gehörte auch zu den Initiatoren eines kongolesischen Films, den die Berlinale nicht ablehnte: »Congo in Four Acts« gibt vier Nachwuchsregisseuren die Gelegenheit, mit einer Digitalkamera bewaffnet ihr Land unter die Lupe zu nehmen. Was sie finden, sind Frauen, die in einer Klinik festgehalten werden, weil sie die Rechnung für die Entbindung nicht bezahlen können, und mit einer Rechnungsstelle streiten, in der sich verpfändete Handys und Ghettoblaster bereits entlassener Krankenhausschuldner türmen. Es sind eine prekäre, oft genug lebensgefährlich improvisierte Stromversorgung, Müllberge, Wasserlachen und Schlaglöcher auf den Straßen der Hauptstadt. Es sind die Verfolgung unabhängiger Berichterstatter, eine allgegenwärtige Männergewalt gegen Frauen und Arbeitsbedingungen in den Minen, die eine Schätzung der mittleren Lebenserwartung auf knapp fünfzig Jahre optimistisch wirken lassen.

Optimismus entgegen aller praktischen Lebenserfahrung scheint ohnehin zum menschlichen Kapital der Kongolesen zu gehören. »Kinshasa Symphony«, von Claus Wischmann für den WDR gedreht, zeigt die selben Schlaglöcher und Stromaussetzer, die selbe Armut – und eine religiöse Gemeinde, die sich nach dem täglichen Überlebenskampf zusammenfindet, um sich als Laienchor und -orchester an Werken von Beethoven, Orff und Händel zu versuchen. Und sich dabei auch vom deutschen Text der »Ode an die Freude« nicht entmutigen lässt. Wie es denen ergeht, die die Hoffnung auf ein besseres Leben in der eigenen Heimat aufgaben und den gefährlichen Weg an die Fleischtöpfe Europas wagten, war im Kontrast dazu in den Video-Botschaften abzulesen, die der Katalane Oriol Canals für »Sombras« unter schwarzafrikanischen Saisonarbeitern in Spanien aufnahm, um sie den Familien in deren Heimatländern zu schicken. Da blieb von irgendeiner Hoffnung wirklich keine Spur.

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