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Erpresste Unterschriften

Hessische Unis stimmen »Hochschulpakt« zu

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine Woche nach einer Demonstration von rund 10 000 Studierenden, Lehrkräften und Gewerkschaften gegen Mittelkürzungen für hessische Hochschulen haben die Spitzen der hessischen Universitäten, Fach- und Kunsthochschulen ihren Widerstand aufgegeben und den von der CDU/FDP-Regierung vorgelegten »Hochschulpakt« unterzeichnet.

Wie das hessische Wissenschaftsministerium am Dienstagvormittag in Wiesbaden mitteilte, haben die Leitungen aller zwölf staatlichen Hochschulen den »Pakt« in Beisein von Ministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) unterzeichnet. Die Ministerin lobte die »Planungssicherheit« für die Hochschulen in den nächsten fünf Jahren.

Bis 2015 müssen die Hochschulen nun mit 34 Millionen Euro weniger Geld im Jahr auskommen. Die Betroffenen hatten daher vor Stellenstreichungen, zunehmender prekärer Beschäftigung auch im Wissenschaftsbetrieb und einer Gefährdung ganzer Fachbereiche gewarnt und eine der größten Bildungsdemonstration der vergangenen Jahre in Hessen zustande gebracht. Unter diesem Druck hatten am Dienstag letzter Woche mehrere Hochschulpräsidenten ihre Unterschrift verweigert. Das Treffen war daher um eine Woche verschoben worden.

Nun haben sie sich gefügt und unterschrieben. Dies geschah laut Protokoll zähneknirschend und unter Protest der Mehrheit der Anwesenden. Dabei dürfte der Druck der Landesregierung nach der Devise »Friss oder stirb« entscheidend gewesen sein. Wer nicht unterschreibe, müsse Jahr für Jahr über den Etat verhandeln, hatte die Ministerin den Widerspenstigen angedroht. Dies hat Wirkung gezeigt.

Die Landesregierung habe »die Zustimmung zum Hochschulpakt erpresst«, kritisierte für die hessische Linksfraktion deren Vorsitzende Janine Wissler. Der Pakt gebe die Sicherheit, dass die Qualität der Ausbildung massiv sinken werde. Von »Erpressung zu Lasten der Studierenden« sprach der SPD-Abgeordnete Gernot Grumbach. Mit der Unterzeichnung nähmen die Hochschulpräsidien der Landesregierung die Verantwortung für die Kürzungen ab. »Das ist die Vorstellung der Landesregierung von Autonomie«, kritisierte er.

In Wiesbaden, wo am Nachmittag eine dreitägige Plenarsitzung des Landtags begann, sicherte ein starkes Polizeiaufgebot die Bannmeile um das Landesparlament sowie das Wissenschaftsministerium ab. Spontane Proteste gab es an mehreren Hochschulen. So besetzten Studierende vorübergehend das Präsidium der Technischen Universität Darmstadt. In Marburg wurde für den Nachmittag eine Vollversammlung der Studierenden einberufen. Viele Lehrkräfte und Studierende sprächen übereinstimmend von einer »Nötigung durch die Landesregierung«, berichteten Protestierende.

Das hessische Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) sprach von einer »Unverschämtheit der Landesregierung im Umgang mit den Bildungseinrichtungen«. Sprecher Alexander Lang warnte vor Protesten, falls das »Kaputtsparen« fortgesetzt werde. »Haushaltsentscheidungen sind Entscheidungen des Landtages und müssen dort öffentlich diskutiert werden«, so Lang. Das gesamte Verfahren sei undemokratisch und entmachte das Parlament.

Die Kürzungen förderten »verdeckte Studiengebühren« in Form steigender Verwaltungskostenbeiträge, bemängelte Christina Schrandt, ebenfalls ABS-Sprecherin. 90 Prozent der eigentlichen Gesamtfinanzierung landeten in Exzellenztöpfen, während das Bildungssystem zunehmend selektiv und privatisiert werde, weil sich der Staat immer weiter aus der Finanzierung zurückziehe.

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