Skeptisch und im Widerstand

Initiativen gegen CO2-Verpressung protestierten gegen CCS-Tagung in Berlin

Vor dem Berliner Hotel Intercontinental standen am Donnerstagmorgen Polizisten. Ab und zu erschienen Herren in eleganten Anzügen. Vermutlich wollten einige von ihnen zur CCS-Konferenz in dem Hotel an der Budapester Straße. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sprach von einer Lobbyveranstaltung der Industrie und protestierte gemeinsam mit zwei Bürgerinitiativen aus Brandenburg und einer aus Schleswig-Holstein auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Zwei Dutzend Menschen erschienen. Die meisten von ihnen streiften sich gelbe T-Shirts über.

Bei der umstrittenen CCS-Technologie dreht es sich um einen Prozess, der die Verwendung der Braunkohle zur Stromerzeugung angeblich klimafreundlich machen soll. Dazu muss das beim Verfeuern der Kohle entstehende Kohlendioxid abgeschieden werden. Das als klimaschädlich angesehene Gas soll verflüssigt und anschließend in unterirdische Lagerstätten gepresst werden. Als geeignete Lagerstätten gelten Sandsteinschichten, die mit Salzwasser angefüllt sind. Sie finden sich zum Beispiel in der Nähe der ostbrandenburgischen Orte Beeskow und Neutrebbin und bei Hörup, das sich südlich der dänischen Grenze in Schleswig-Holstein befindet.

Bei Beeskow und Neutrebbin möchte der Energiekonzern Vattenfalls das in seinen Braunkohlekraftwerken in der Lausitz entstehende CO2 verpressen. An Hörup zeigt der Energieriese RWE Interesse. Er betreibt Tagebaue in Nordrhein-Westfalen, wo es jedoch an den benötigten Gesteinsschichten fehlt. RWE hegt deswegen die Absicht, das CO2 nach Schleswig-Holstein zu transportieren.

Hier kommen die Bürgerinitiativen der Anwohner ins Spiel. Die Leute befürchten einen Wertverfall ihrer Grundstücke und Einbußen beim Tourismus, vor allem jedoch haben sie Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben.

Durch einen Steinschlag sei 1986 in Kamerun ein natürliches CO2-Lager freigesetzt worden, erzählt Neutrebbins Bürgermeister Siegfried Link (parteilos). Mehr als 1700 Menschen seien deswegen gestorben. Doch selbst wenn es so schlimm nicht komme: Das verpresste CO2 würde sich in einem Umkreis von mindestens 50, vielleicht sogar 100 Kilometern verbreiten. Dabei könnte es das salzhaltige Wasser aus der Tiefe wegdrücken und so das Grundwasser schädigen, bemerkt Link. Unter den Folgen würden etwa Brauereien leiden.

Eine Karte der Bürgerinitiativen verzeichnet den angenommenen Gefahrenbereich. Im engeren 50-Kilometer-Gefahrenbereich liegen Ostberlin, Eberswalde, Frankfurt (Oder) und Cottbus, im 100-Kilometer-Bereich auch Potsdam und das sächsische Hoyerswerda.

Mit Blick auf die Konferenz im Hotel Intercontinental meint der ehrenamtliche Bürgermeister bitter: »Wir würden ja hinein gehen, aber 2000 Euro Teilnehmerbeitrag können wir uns nicht leisten.« International besetzt sei die Tagung, brachten die Bürgerinitiativen in Erfahrung. Zu Firmenvertretern sprachen demnach Fachleute etwa aus Kroatien und Spanien.

Wie zum Beweis tauchte Björn Utgard auf, um mit den Demonstranten zu diskutieren. Der Norweger arbeitet für die Umweltorganisation Bellona und beteiligte sich an der Konferenz. Bellona sei eine Nicht-Regierungs-Organisation, betonte Utgard. Dann erklärte er, CCS sei notwendig, um das Klima zu schützen. Anders gehe es nicht, denn man könne schließlich nicht Unmengen von Windrädern aufstellen. Wenn die CCS-Technologie sicher sei, sollte man sie verwenden, findet der Norweger. Er glaubt, dass es sichere Lagerstätten gibt.

Brandenburgs BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat lässt sich davon aber nicht überzeugen. »Wenn es wirklich sicher wäre, in Ordnung. Aber niemand kann das sagen.« Die CCS-Technologie sei definitiv nicht sicher, sondern eine Risikotechnologie. Allein in Brandenburg müssten pro Jahr 25 Millionen Tonnen CO2 verpresst werden. »Das ist eine gigantische Menge.« Dabei kenne man nicht alle Risse im Gestein und finde nicht einmal die alten Bohrlöcher aus den 1960er Jahren. Damals suchte die DDR im Oderbruch Erdöl, fand auch welches – doch die geringen Mengen rechtfertigten seinerzeit nicht die Förderung in der Neutrebbiner Gegend.

Günter Thomas aus Leck – zwei Dörfer weiter liegt Hörup – ärgerte besonders ein Tagungsordnungspunkt, den seine Mitstreiter im Internet gefunden hatten: Lernen, wie mit Skeptikern und Widerstand umzugehen sei. »Die beraten da drin, wie sie unsere Bürgerinitiativen fertig machen können«, schimpfte Thomas.

Den Ausweg sehen die Bürgerinitiativen in der Förderung regenerativer Energien und darin, überall auf der Erde die Bäume zu pflegen, anstatt Wälder abzuholzen.

Von 25. bis 27. Juni wird in Groß Neuendorf ein Fresh Air Festival veranstaltet. Damit richtet sich der Ortsbeirat Groß Neuendorf gegen die unterirische CO2-Speicherung. Es treten zahlreiche Bands zum Beispiel aus Potsdam, Berlin, Frankfurt (Oder), Dresden und Eberswalde auf. Das Spektrum reicht von Rock, Pop und Punk über Blues, Folk, Reggae und Indie bis zu Hiphop und Metal.www.freshair-festival.de

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