Sieg über die Vergangenheit

THW Kiel feiert nach 36:34-Finalerfolg gegen Barcelona den zweiten Champions-League-Titel

  • Erik Eggers, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch am Ende des Tages gehorchten die Profis des THW Kiel den Worten ihres Trainers. »Wir feiern jetzt bis zum Rückflug am Montagvormittag«, hatte Alfred Gislason nach dem Triumph in der Champions League angeordnet. Die zwei sagenhaften Comebacks, welche die »Zebras« sowohl im Halbfinale gegen den Titelverteidiger BM Ciudad Real (29:27) als auch im Finale gegen den FC Barcelona (36:34) auf das Parkett der Lanxess-Arena gezaubert hatten und die sicherlich ihren gebührenden Platz in der Handballgeschichte finden, müssten gebührend begossen werden, meinte der Coach. Und was ein Nord-Isländer wie Gislason eine angemessene Party nennt, kann man sich lebhaft vorstellen.

Natürlich konnten auch die Profis um den überragenden Torhüter Thierry Omeyer kaum fassen, in den letzten 19 Minuten noch einen Sechs-Tore-Rückstand aufgeholt und so den zweiten Kieler Titel in der Königsklasse nach 2007 besiegelt zu haben. Und so wurde es ein feucht-fröhliches Fest, zunächst in einem urigen Brauhaus am Kölner Dom, dann bei der offiziellen »Players Party« – auch wenn der THW noch, wie es Linksaußen Dominik Klein formulierte, »einen Job zu erledigen hat«: Den Gewinn der 16. Deutschen Meisterschaft. Dazu benötigen sie aus den beiden letzten Partien gegen Balingen (Mittwoch) und beim TV Großwallstadt (Samstag) einen Sieg und ein Remis, um Verfolger HSV Handball in Schach zu halten.

Womöglich entwickelt sich das komplizierte Verhältnis des THW Kiel zur Champions League doch noch zu einer Liebesgeschichte. Bis zum Sonntagabend assoziierten viele Fans mit diesem Wettbewerb fast nur dunkle Momente. Als der THW im Jahr 2000, damals gegen den FC Barcelona, erstmals das Finale erreichte, fühlten sich Spieler von den Schiedsrichtern um den Sieg betrogen. Der Triumph 2007, als die »Zebras« nach vielen vergeblichen Anläufen gegen die SG Flensburg-Handewitt endlich siegten, steht immer noch unter Manipulationsverdacht: Seit März 2009 steht der Vorwurf im Raum, Ex-Manager Uwe Schwenker und Ex-Trainer Noka Serdarusic hätten diesen Triumph nur durch Schiedsrichterbestechung ermöglicht; ein Prozess gegen die beiden Figuren, die den Kieler Aufstieg zum Rekordmeister personifizierten, steht noch aus.

THW-Aufsichtsratschef Klaus-Hinrich Vater wollte nicht weiter auf die dunklen Kapitel eingehen. »Wir leben nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart«, sagte der Unternehmer, der den THW lenkt, seit Schwenker ersetzt wurde und die alte Führungscrew zurückgetreten war. Vater lobte stattdessen den Geist des Teams. »Die Moral dieser Mannschaft ist einfach herausragend. Dass sie diesen Titel geschafft hat, obwohl mit Vid Kavticnik, Nikola Karabatic und Stefan Lövgren im letzten Sommer drei Stützen gegangen sind, ist sensationell.«

Auch die Einwände der spanischen Kontrahenten, die neue Form des Final Four-Turnier hätten den THW Kiel massiv bevorteilt, weil die Zuschauer in Köln wie eine Wand hinter dem einzigen deutschen Teilnehmer stand, quittierten die Verantwortlichen mit Kopfschütteln. Schließlich hatten vor allem die spanischen Klubs diesen Plan der Europäischen Handball-Föderation unterstützt. Die Kieler favorisieren den alten Modus mit Hin- und Rückspiel. »Wir würden diese Partien lieber unserem Publikum in Kiel zeigen«, sagte der für Finanzen zuständige THW-Aufsichtsrat Götz Bormann. Der ausgelassenen Freude tat das aber keinen Abbruch.

Finale Champions League

Barcelona - Kiel 34:36 (17:20)

Tore: Barcelona: Garcia 13, Nøddesbo 6, Rutenka 4, Tomas 4, Romero 2, Garabaya 1, Sarmiento 1, Nagy 1, Hansen 1, Igropulo 1. Kiel: Jicha 11, Zeitz 6, Klein 5, Narcisse 4, Lundström 3, Sprenger 2, Anic 2, Lund 1, Ahlm 1, Ilic 1.

Schiedsrichter: Olesen und Pedersen (Dänemark).

Zuschauer: 19 374.

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