Die Straßenmonster kommen

Brüssel gibt Studien zu Mega-Lkw in Auftrag / Straßenverkehrslobby jubelt

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Thema schien schon vergessen, jetzt wird es wieder aktuell: Riesige Lkw mit einer Länge von bis zu 25 Metern und einem Höchstgewicht von 60 Tonnen könnten bald auf Deutschlands Straßen rollen. Nicht nur in Feldversuchen, wie derzeit beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein. Sondern ganz regulär, dauerhaft zugelassen von der EU.

Es ist Brüssel, wo über Abmessung und Gewicht, die Lkw in den Mitgliedstaaten haben dürfen, entschieden wird. Sogenannte Eurocombis oder Gigaliner – Kritiker nennen sie Monstertrucks – sind bislang nur in Ausnahmefällen und in Testphasen zugelassen, die bei der EU-Kommission genehmigt werden müssen. Seit 2007 verfolgt die Behörde jedoch Pläne, Eurocombis grundsätzlich auf Europas Straßen zuzulassen. Eine Entscheidung ist bislang nicht gefallen. Vor kurzem hat die EU-Kommission jedoch zwei neue Studien in Auftrag gegeben und Anfang Mai Briefe an die Mitgliedstaaten verschickt, um sich über die Erfahrungen mit Eurocombis zu erkundigen. Beobachter sehen darin Anzeichen, dass sich bald Entscheidendes tun könnte.

Mit konkreten Schritten ist allerdings nicht vor nächstem Jahr zu rechnen. Dann soll auch in Deutschland eine neue Testphase beginnen. Eigentlich hatte man in Deutschland die Akte Eurocombi schon geschlossen. 2007 verkündete die schwarz-rote Regierung, keine weiteren Tests mehr untrenehmen zu wollen. Mit Schwarz-Gelb kam die Wende. Die Vertreter der Straßentransportlobby jubeln.

Doch nicht nur sie. Auch einige Politiker würden die Zukunft gerne mit Eurocombis gestalten. Der thüringische CDU-Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch ist einer von ihnen. Für ihn liegen die Vorteile der übergroßen Lkw auf der Hand. Dort, wo heute drei Lkw fahren, könnten künftig zwei fahren und die gleiche Menge befördern. Dadurch seien weniger Fahrzeuge unterwegs, weniger Verkehr und weniger CO2-Belastung.

Michael Nielsen von der International Road Transport Union IRU will auf jeden Fall die 60-Tonner in Europa sehen. »Das Argument der Gegner, dass dadurch die Infrastruktur und vor allem Brücken zu sehr belastet würden, stimmt einfach nicht«, sagt er. Denn die bisherigen Versuche hätten gezeigt: Dadurch, dass die Eurocombis mehr Achsen hätten, verteile sich das Gesamtgewicht anders. Pro Achse werde weniger Gewicht an die Straße abgeben als bei bisher zugelassenen Lkw.

Bei den Kritikern der Eurocombis zählen solche Rechnungen kaum. Dort sieht man außerdem noch andere Risiken. »Beim Überholen gerade auf unübersichtlichen Landstraßen sind Eurocombis eine große Gefahr für den Verkehr«, sagt Christoph Hecht vom ADAC in München. Der überholende Pkw-Fahrer könne zu Beginn des Manövers nicht erkennen, ob er es mit einem normalen oder einem überlangen Lkw zu tun habe. Außerdem: Was macht man mit den Eurocombis in engen Innenstädten, in Kreisverkehren, auf Parkplätzen?

In Brüssel scheint das Kontra derzeit noch zu überwiegen. Ablehnung kommt auch von den Bahn-Verbänden. Sie fürchten Auftragseinbußen, wenn mit Eurocombis große und sperrige Güter von der Schiene auf die Straße wechseln würden. Das ginge zu Lasten der Umwelt – und führe letztlich nicht zu weniger Verkehr auf der Straße, sondern zu mehr.


Das Stichwort - Eurocombis in Europa

Eurocombis fahren derzeit in mehreren EU-Staaten. In Finnland und Schweden sind sie auf nationalen Strecken regulär erlaubt, weil sie schon vor dem EU-Beitritt der beiden Staaten zugelassen waren. In den Niederlanden werden seit 2001 Tests mit Eurocombis gemacht, in Dänemark läuft seit 2008 ein Großversuch, in Belgien soll eine zweite Testreihe im Herbst beginnen. In Deutschland wurden oder werden noch in neun Bundesländern Eurocombis getestet (kw)

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