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Löchriger Kündigungsschutz

Arbeitsmarktreform bringt die spanische Regierung in Bedrängnis

  • Ralf Streck, Madrid
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem die spanische Regierung kürzlich ein 15 Milliarden Euro schweres Sparpaket mit knapper Mehrheit durchs Parlament gebracht hat, soll nun auch eine Arbeitsmarktreform kommen. Die Gewerkschaften drohen mit weiteren massiven Protesten.

Dem spanischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero stehen zum Ende der EU-Präsidentschaft die schwierigsten Tage bevor. Auf Druck aus Brüssel musste Zapatero Sparpakete beschließen, mit denen das Haushaltsdefizit verringert werden soll, das 2009 auf 11,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes explodiert war. Die EU forciert weitere Reformen, um strukturellen Problemen zu begegnen. Neben der Rentenreform wird dem Land auch eine Arbeitsmarktreform verordnet, die dazu beitragen soll, die extrem hohe Arbeitslosigkeit von rund 20 Prozent zu reduzieren, die sich wiederum in hohen staatlichen Sozialausgaben niederschlägt. Die Sozialisten (PSOE) wollen am Mittwoch dazu ein Dekret beschließen, bevor einen Tag später der EU-Gipfel über die spanischen Reform- und Sparpläne berät.

Doch über diese Frage droht die Regierung zu stürzen. Nachdem Zapatero die Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre den Gewerkschaften ohne Verhandlungen aufgedrückt hat, sind die Sozialpaktgespräche über die Arbeitsmarktreform Ende vergangener Woche gescheitert. Wie schon vor einem Jahr macht die Regierung maßlose Forderungen der Arbeitgeber dafür verantwortlich.

Doch Probleme haben die Sozialisten vor allem mit denihnen traditionell nahestehenden Gewerkschaften. Diese wollen zum Generalstreik antreten, sollte Zapatero diese Reform dekretieren. Die baskischen Gewerkschaften haben bereits ihre Mitglieder zum Generalstreik am 29. Juni aufgerufen. Es ist möglich, dass die Arbeiterkommissionen (CCOO) und die Arbeiterunion (UGT) ebenfalls diesen Termin wählen, weil Zapatero nicht mehr nachbessern will. Auch die großen Gewerkschaftsdachverbände werfen ihm vor, sehr weit auf die Arbeitgeber zuzugehen.

Der Kündigungsschutz soll weiter aufgeweicht werden, obwohl er in Spanien schon jetzt nur aus einer Abfindung besteht. Bisher wird pro gearbeitetes Jahr als Abfindung meist der Lohn von 45 Tagen bezahlt. Das ist mehr als in Deutschland, doch dies hat auch eine wichtigere Funktion. Mit dem Geld müssen sich viele Menschen nach Ablauf des Arbeitslosengeldbezugs über Wasser halten, weil es keine Sozialhilfe gibt. Bei einer »zulässigen« Kündigung sollen demnächst nur noch 20 Tage bezahlt werden, wenn der Betrieb nachweislich seit sechs Monaten rote Zahlen schreibt. Bei Neuverträgen sollen Mitarbeiter zukünftig nur noch mit 33 Tagen abgefunden werden. Bei einem »unzulässigen« Rauswurf muss der Betroffene auch in Zukunft nicht wieder eingestellt werden.

Ein Teil des Geldes soll sogar aus der Staatskasse kommen, um unbefristete Vertragsverhältnisse zu fördern. Doch die Gewerkschaften fragen sich, was ein solcher Vertrag bringt, wenn die Beschäftigten jederzeit – billig und staatlich subventioniert – gekündigt werden können. Auflagen, um die unzähligen Zeitverträge zu begrenzen, gibt es nur wenige.

Zapatero kann diese Reform zwar dekretieren. Doch wenn es dann zum Generalstreik kommt, könnte die Minderheitsregierung darüber stürzen. Auch eine Mehrheit im Parlament ist nicht sicher. Die Linksparteien lehnen sie ab und katalanische Nationalisten (CiU) fordern weitere Verhandlungen, wozu der Regierung aber die Zeit fehlt. Das Sparpaket bekam Zapatero kürzlich nur durchs Parlament, weil sich CiU-Parlamentarier der Stimme enthielten. Sollten sie diesmal aber mit der konservativen Volkspartei (PP) gegen die Reform stimmen, wäre dies das Ende von Zapatero Regierung nach fünf Jahren.

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