Ein roter Faden durch Kopenhagen

Datenbank als Ideenspender für selbst gestaltete Stadttouren

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Gedenktafel für Lenin anlässlich seines Aufenthaltes 1910
Gedenktafel für Lenin anlässlich seines Aufenthaltes 1910

Was macht man, wenn es einen in die Natur drängt und der getreue Drahtesel missmutig einen Platten vorweist? Ein Spaziergang ist die Antwort, der ein Augenöffner wurde, dass eine Stadt wesentlich mehr Details zu bieten hat, als auf den ersten Blick oder bei einer Fahrradtour sichtbar wird.

In diesem Fall waren es Gedenktafeln, die meine Neugier weckten, und eine anschließende Internetsuche förderte Datenbasen zu Tage über Kopenhagens Gedenktafeln und Monumente. Diese sind teils alphabetisch, teils nach Stadtteilen geordnet und können, kombiniert mit einem Stadtplan, den Rohstoff liefern für eine thematische Stadtwanderung.

Kennt man die richtigen Suchnamen, kann man diese Übersichten nutzen, auch ohne Dänischkenntnisse zu haben, denn beispielsweise H.C. Andersen, Niels Bohr oder Asta Nielsen sind so nicht schwer zu finden. Die Texte sind in der Regel ohnehin nicht so interessant, denn oft geben sie nur an, dass eine bestimmte Persönlichkeit sich hier aufhielt oder wohnte. Interessanter ist es, dass man auf diese Art Orte besucht und eine Stadt abseits der touristischen Routen findet.

Eine Route könnte beispielsweise beim Arbeitermuseum (Arbejdermuseet) beginnen, das nicht nur Traditionen des arbeitenden Volkes vermittelt, sondern auch Einblick in ihr tägliches Leben in verschiedenen Perioden gibt. Ganz in der Nähe liegt die Kopenhagener Fahrradbörse (Københavns Cykelbørs), wo man sich anschließend ein Fahrrad leihen kann, denn einige Kilometer sind zu bewältigen. An den Seen vorbei fährt man in Richtung Vesterbrogade und etwa in der Mitte dieser Straße geht man in den Hof der Nummer 112. Hier kann man nicht nur ein Beispiel sehen, wie viel Licht und Platz Stadtrestaurierung schaffen kann in ehemaligen Hinterhöfen, sondern wird auch auf eine Gedenktafel für Lenin stoßen, der hier 1910 einige Wochen anlässlich eines Kongresses der 2. Internationale wohnte. Vesterbro war damals ein typisches Arbeiterviertel ähnlich denen Berlins. Heute ist es ein Stadtteil mit sehr gemischter Bevölkerung, aber damals wie heute bietet es eine reichliche Auswahl von Restaurants und Kneipen für die verschiedenen Ansprüche.

Der Stadtplan geleitet weiter zu Frederiksbergs »Walk of Fame«. Diese Stadt in der Stadt begann in den 90er Jahren, hier gebürtige oder ansässige dänische Schauspieler mit einer Platte auf dem Fußgängerweg der Frederiksberg Allé zu ehren. Einige Kilometer weiter kann man eine Gedenktafel für die Stummfilmschauspielerin Asta Nielsen auf dem Peter Bangs Vej 61 finden. Nielsen lebte hier 32 Jahre lang.

Diese Tafeln illustrieren auf ihre Art und Weise die Wandelung einer ehemaligen Industriestadt in eine Stadt, die heute vorzugsweise von Dienstleistungen, Kunst, Bildungseinrichtungen und ähnlichem lebt und dabei ihr Bevölkerungsprofil total änderte. Ein gewiefter Stadtführer kann aus solchen kleinen Anhaltspunkten viel Inspiration gewinnen. Mit etwas Mühe kann man seinen eigenen, roten Faden zu spinnen und lernt dabei mehr über die Stadt, die man zu kennen glaubt.

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