Galerie DAM

Der Kreationist

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Giuseppe Arcimboldo, Hofmaler des in Prag residierenden Kaisers Rudolf II, hatte noch Menschengestalten aus Früchten und Blumen komponiert. Der 1934 in Prag geborene Multikünstler Jan Svankmajer wurde vor allem durch seine Animationsfilme legendär. In denen gruppierte sich Obst und Gemüse zu bewegten Gesichtern und Gestalten. Einen komplementären Weg schlägt heutzutage der in Rio de Janeiro geborene, aber in den USA lebende Edouardo Kac ein. Er hat einen Teil seiner eigenen Erbinformation in das Genmaterial einer Petunie einschleusen lassen. Aufgrund dieses Eingriffs trägt die Mensch-Pflanze-Hybride selbstverständlich einen eigenen Namen. »Edunie« nennt sie Kac. Bilder der Edunie sind derzeit in der Ausstellung »Natural History of the Enigma« im Digital Art Museum in der Tucholskystraße zu sehen.

Die gentechnische Manipulation ist dem Objekt aber nicht ohne weiteres anzusehen. Form und Struktur der Pflanze ähneln konventionellen, noch nicht humanisierten Petunien. Auch sind auf den ersten Blick keine Symptome vom Morbus Crohn oder dem Waardenburg-Syndrom, deren Veranlagung in dem menschlichen Chromosomen 2, das jetzt in dieser Pflanze steckt, zu erkennen. Dem informierten Auge fällt allenfalls die rötliche Äderung der Blütenblätter auf. In diesen Adern haben Wissenschaftler tatsächlich die menschliche Erbinformation nachgewiesen, verrät DAM-Galerist Wolf Lieser. Das ist eine schöne Metapher. Der menschliche Blutkreislauf prägt sich ins Äderwerk der Blume ein.

Kac hat zudem Multiples gefertigt, die auch den Samen der Pflanze enthalten. Vier noch sehr kleine Edunien wachsen ebenfalls in der Ausstellung. Ohne das Wissen um ihre Genese sind es harmlose Pflänzchen. Mit der Kenntnis um den Eingriff kriecht freilich eine leichte Form von Grusel den Rücken des Betrachters hoch. Welche Experimente mögen in diversen Genlabors auf dem Globus gegenwärtig alle angestellt werden, fragt er sich. Der Künstler Edouardo Kac spielt mit diesem Schrecken. Vor zehn Jahren ist er mit einem genetisch veränderten Kaninchen bekannt geworden, das im Dunkeln fluoreszierend leuchtete.

Kac ist offensichtlich begeistert von den Manipulationsmöglichkeiten, die der gentechnische Baukasten bietet. Er steht in einer Reihe von Künstlern und Wissenschaftlern, die der technologischen Entwicklung provokativ vorauseilen. Der Soziologe Jeremy Rifkin beantragte schon 1998 gemeinsam mit dem Biologen Stuart Newman das Patent auf gentechnische Kreuzungen von Mensch und Schimpanse sowie Mensch und Maus. Das Patent wurde damals abgelehnt. Das war durchaus im Sinne der Antragsteller, die dem möglicherweise Machbaren eine Grenze des Erlaubbaren setzen wollten. Die Begründung lautete damals, dass zu viele Anteile Mensch in den Schimären gewesen wären. Das hätte das in der US-Verfassung verankerte Verbot von Sklaverei und dem Besitz von menschlichen Wesen verletzt. Kac' Edunia lässt nun darüber nachdenken, wie wenig Mensch in einer neuen Kreatur enthalten sein muss, damit sie patentierbar und handelbar bleibt.

Die Ausstellung »Natural History of the Enigma« wirkt auf den ersten Blick wenig spektakulär. Dennoch brodelt es in ihr heftiger vor Konflikten, Träumen und Albträumen als in den meisten abendfüllenden Horrorfilmen.

Bis 17.7., Galerie DAM, Tucholskystr. 37, www. dam-berlin.de

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