Dienstrad statt Dienstwagen

Bundesweit steigen immer mehr Firmen auf Leihräder um, der Freiburger Ulrich Prediger hat die Marktlücke erkannt

  • Michael Scheuermann, Freiburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Ulrich Prediger mit einem Teil seines »Fuhrparks«
Ulrich Prediger mit einem Teil seines »Fuhrparks«

Einschalten, draufsetzen, in die Pedale treten – so einfach funktioniert das Pedelec, ein Fahrrad mit selbstzuschaltbarem Elektroantrieb. Ampelstarts, Steigungen und Überholmanöver werden zum Kinderspiel. Das richtige Dienstfahrzeug für die Hügelstadt, dachte sich eine Stuttgarter Behörde und entschied, damit einige ihrer Ämter auszurüsten. Anschaffung und Wartung der 20 Räder durfte nicht viel kosten. Deutschlands erster Fahrradverleaser Ulrich Prediger in Freiburg wusste wie.

Der Jungunternehmer stellte der baden-württembergischen Hauptstadtbehörde nagelneue Pedelecs startbereit vor die Tür. »Wartung, Reparatur, Zubehör«, um alles kümmert sich der Lease-Rad-Gründer selbst oder beauftragt Werkstätten, erklärt er. Je nach Ausstattung und Service würden dafür »monatliche Leasingraten von 50 bis 100 Euro pro Pedelec« fällig. Nach zwei Jahren nehme er die Räder wieder zurück. Der Kunde könne sie aber auch für einen Restwert kaufen. Bei einem Anschlussvertrag gäbe es »wieder die neueste Technik«, betont Prediger. Weit günstiger kommt das Anmieten von Citybikes und Trekkingrädern, wie das Munzinger Schlosshotel Reinach südwestlich Freiburgs erkannte. »Aus ökonomischen Überlegungen« entschied sich der Beherbergungsbetrieb fürs Leasen, sagt Geschäftsleiterin Anke Böhm. Vor einem Jahr stellte sie den Gästen noch hauseigene Bikes zur Verfügung, was »viel teurer kam«, weiß sie heute. »Stundenlang war da der Hausmeister mit Flicken beschäftigt«. Nun genüge »ein Anruf«, und kaputte Räder würden sofort ausgetauscht.

Mit Fahrradleasing will die Druckerei Lokay in Reinheim bei Darmstadt 2012 umweltfreundlichste Bogenoffset-Druckerei Deutschlands werden. Im Juni 2009 rüstete sie als eine von mehreren Kohlendioxid verringernden Maßnahmen 13 ihrer 30 Mitarbeiter kostenlos mit Lease-Rad-Rädern aus. Inhaber Ralf Lokay stellte nur eine Bedingung: jeder der Nutzer müsse »mindestens einmal pro Woche damit zur Arbeit kommen«. Mittlerweile fahren seine Mitarbeiter »weit mehr als sie sollten«, ist der Druckereibesitzer zufrieden. Vermehrt erledigten sie damit auch Dienstgänge.

Trotz der sachwerten Leistung, die die Übergabe der Räder an die Mitarbeiter darstelle, könne das Finanzamt bei den Angestellten nichts holen, da die Firmenzuwendung unter dem Grenzwert von monatlich 44 Euro liege, fand Lokay heraus. Auch profitiere seine Belegschaft davon gesundheitlich und somit der ganze Betrieb. Um Arbeitnehmerabzüge bei privater Nutzung der Räder für die weit teueren Pedelecs zu umgehen, entwickle Lease-Rad derzeit ein neues Konzept, kündigt Prediger an.

Die Einnahmen des Bundes schmälern würde er damit wohl kaum. Ersetzten Diensträder die Millionen jährlich steuerlich bezuschussten Dienstwagen, könnte der Staat sogar Milliarden einsparen. Laut Greenpeace werden »rund 70 Prozent der Produktion klimaschädlicher Limousinen und Geländewagen für den deutschen Markt gewerblich zugelassen«. Sechs Jahre lang seien die Anschaffungskosten und der Sprit unbegrenzt »in voller Höhe« absetzbar. Dadurch finanziere der Steuerzahler allein »die größten, gewerblich genutzten Spritfresser mit 3,5 Milliarden Euro im Jahr«. Die Umweltschützer fordern deshalb seit Jahren, die Dienstwagenbesteuerung umzukehren und nur noch den sparsamsten Fahrzeugen, Steuervorteile zu gewähren.

Über 100 Räder »verleast« der Diplomvolkswirt und gelernte Feinmechaniker Ulrich Prediger landesweit seit Firmengründung vor anderthalb Jahren. Ein Pflegeservice leiht sich die Zweiräder ebenso wie eine Jugendherberge und ein Erholungspark. Dort soll sich der Bestand bald verfünffachen. Stuttgart plane mit der Deutschen Bahn zusammen ein öffentliches Fahrradverleihsystem, verrät der 38-jährige Familienvater. Auch für Krankenhausbedienstete und Ökounternehmen kann er sich seinen Service vorstellen.

Weitere Räder verkaufte Prediger, einschließlich langjähriger Wartungsverträge, direkt. So stellt beispielsweise eine Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft als besonderen Mieter-Verleihservice für ihre Passivhauswohnungen 40 Pedelecs bereit, die Lease-Rad pflegt und repariert. Eine Münchner Bank stattet die Mitarbeiter ihrer Berliner Filiale mit den Elektrorädern aus. Im firmeneigenen Webshop können Räder auch online bestellt werden.

»Das boomt«, war sich Prediger schon vergangenes Jahr sicher und legte für Ökologiebewusste eine geschlossene Anleihe zu sechs Prozent auf, die ihm 100 000 Euro zusätzliches Betriebskapital ins Unternehmen spülte. Wenn's so weiter läuft, könnte »Ende des Jahres« die nächste Anleihe kommen, hofft der Firmenchef.

www.leaserad.de

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