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Egoismus pur
Hamburgs Bürger stimmen am Sonntag über die Einführung der sechsjährigen Grundschule ab. Selten war eine Frontstellung so klar: Auf der einen Seite ein Bildungsbürgertum, das mit teuren Anzeigenkampagnen um das Gymnasialprivileg ihres Nachwuchses kämpft. Auf der anderen Seite die Bildungsreformer (auch die übrigens aus dem Bildungsbürgertum), die für das längere gemeinsame Lernen aller Schüler plädieren – dies vor allem mit dem Hinweis auf den damit verbundenen Nutzen für Kinder aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Familien.
Der Übertritt auf das Gymnasium symbolisiert die Zugehörigkeit zur oberen Mittelschicht. Mit ihm sind Reputation und die Gewissheit verbunden, sich von nun an in einem relativ störungsfreien Lernmilieu zu bewegen. Dieses Privileg zu verteidigen, ist Egoismus pur und kein Satz kann das deutlicher ausdrücken als der Slogan, unter dem die Reformgegner firmieren: »Wir wollen lernen!« Dieser Egoismus ist allerdings stimmmächtig. Sollte er am Sonntag siegen, dann wäre es der Gymnasiallobby gelungen, ihre Partikularinteressen durchzusetzen. Die Frage ist dann, ob die CDU in anderen Bundesländern erneut das Wagnis eingehen wird, aus kluger Einsicht das Richtige zu tun, selbst um den Preis, es sich dadurch mit einem Teil ihrer Wählerschaft zu verscherzen.
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