Das Verbrenner-Auto steht unter Strom

Die Politik der Bundesregierung ist zukunftsvergessen, auch wenn sie behauptet, Innovationen zu fördern.

Ab 2035 dürfen diese Autos immer noch in der EU fahren, nur nicht mehr neu zugelassen werden.
Ab 2035 dürfen diese Autos immer noch in der EU fahren, nur nicht mehr neu zugelassen werden.

Reisen wir ein Jahrzehnt in die Zukunft, ins Jahr 2035. Elektrisch angetriebene Autos sollten dann nicht nur dazu dienen, um von A nach B zu kommen. Als Stromspeicher erwirtschaften sie ihren Eignern auch Geld. Die Fahrzeuge sind ferngesteuert oder gar autonom unterwegs. Sie stehen nicht mehr – wie heute – 23 Stunden am Tag herum, sondern können vermietet oder geteilt werden. Das senkt Kosten und spart Platz in urbanen Räumen, die die Kommunen längst für die Klimaanpassung erobert haben. Weniger Autos fahren mehr.

Ein privates Auto zu fahren, war nie billig, bei E-Autos wird das auch künftig nicht anders sein. In zehn Jahren aber werden sich die Größenordnungen bei den Stückzahlen umgekehrt haben: E-Autos werden den Markt bestimmen und lassen sich daher, verglichen mit Verbrennern, preiswerter herstellen. Auch ist das zum Tanken nötige Stromnetz dann praktisch überall vorhanden. Andersherum entwickeln sich die fossilen Kraftstoffe: Wegen der CO2-Bepreisung verteuern sie sich künftig relativ zum Strom. Auch müssen die Kosten der fossilen Infrastruktur – Förderanlagen, Tanker, Raffinerien, Tankstellen – auf weniger Kraftstoffe umgelegt werden. Das erhöht die Preise für Benzin oder Diesel.

Auf diese Zukunft hat sich die vermeintliche deutsche Wohlstandsindustrie nie eingestellt. Sie hat mit dem Geschäftsmotto »Große Autos bringen große Gewinne« zwar Milliardengewinne eingefahren, die aber im Dieselskandal verbrannt und für Dividenden verpulvert. Der automobile Blick in die Zukunft reichte immer nur bis zum nächsten Quartalsbericht für die Börse.

Es wird immer klarer, wie zukunftsvergessen das unablässige Vorgehen der Bundesregierung gegen das sogenannte Verbrennerverbot der EU ist. Ungeniert nutzt sie dabei das doppelte Missverständnis aus: Zum einen dürften angeblich ab 2035 alle Benziner und Diesel nicht mehr auf die Straße, und zum anderen dürfte es gar keine Verbrennermotoren mehr geben. Dabei können auch dann vor 2035 zugelassene Fahrzeuge weiter Benzin und Diesel in den Tank füllen und neue Autos den berühmten grünen Wasserstoff verbrennen oder die noch berühmteren, weil noch selteneren synthetischen Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt.

Diese beiden neuen »Kraftstoffe« werden Nischenanwendungen bleiben. Denn was wird zu ihrer Herstellung benötigt? Jede Menge Strom. Auch Verbrenner stehen künftig unter Strom – und jeder, der ein bisschen rechnen kann, wird sich fragen: Warum soll ich den Strom nicht direkt in die Batterie füllen, sondern den Umweg über teure Ersatzkraftstoffe nehmen?

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»Wir machen in dieser Bundesregierung keine Klimapolitik mehr gegen die Industrie. Wir machen sie mit der Industrie«, gab Bundeskanzler Friedrich Merz jüngst die Route aus. Von der Industrie seien Innovationen zu erwarten, »die uns in der Umweltpolitik wieder an die Spitze der ganzen Welt« brächten, predigt der Kanzler. Wie aber sehen die gepriesenen »Innovationen« aus? Das sollen Plug-in-Hybride sein. Die gibt es zwar schon lange, künftig aber sollen sie in der Stadt rein elektrisch und nur außerhalb dieser fossil fahren. Vermutlich ist auf dem Lande emittiertes CO2 weniger schädlich. Auch sollen sogenannte Range Extender erlaubt sein, Fahrzeuge also, die einen kleinen fossilen Reservemotor haben. Denn 2035 gibt es vermutlich noch immer nicht genug Ladesäulen.

Schließlich sollen auch nach 2035 auch »hocheffiziente« Verbrenner erlaubt sein. So eine Innovation in den Automarkt zu bringen, hatte der VW-Konzern schon vor gut 20 Jahren versprochen: ein Ein-Liter-Auto für damals 20 000 Euro. Am Ende dienten und dienen solche Projekte vor allem dem Greenwashing. Wirklich innovativ wäre, beim Auto eben nicht nur den Antrieb zu wechseln, sondern es neu in eine zukunftsfähige Mobilität einzubinden. Damit muss man auch nicht bis 2035 warten.

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