Der Stoff, aus dem die Beutel sind

Eine Kunsthistorikerin verhilft der Dederon-Faser zu einem unerwarteten Comeback

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Die 42-jährige Melanie Thamm aus Niedersachsen folgte dem Dederon-Faden bis nach Berlin. Dort besitzt sie inzwischen einen Laden für selbst genähte Beutel aus dieser ganz besonderen Faser.
Die 42-jährige Melanie Thamm aus Niedersachsen folgte dem Dederon-Faden bis nach Berlin. Dort besitzt sie inzwischen einen Laden für selbst genähte Beutel aus dieser ganz besonderen Faser.

Langlebig, knitterfrei und farbenfroh: Schöner kann ein echter Dederonbeutel nicht sein. Eine Kunsthistorikerin aus Niedersachsen hat dem einstigen DDR-Utensil zum Comeback verholfen. Nach eigenen Entwürfen näht sie aus originalen Stoffen die praktischen Einkaufshilfen.

Melanie Thamm verbindet auf ihre Art eine sozialistische Faser mit einem marktwirtschaftlichen Design. »Das ist doch irgendwie schräg«, findet die 42-Jährige und freut sich über ihre Idee. Hätte ihr allerdings vor zehn Jahren jemand vorausgesagt, dass sie einmal Beutel entwirft, über die Vergangenheit des besonderen Stoffes recherchiert und auch noch einen eigenen Laden besitzt, wäre sie in ein »schallendes Gelächter« verfallen. Doch der Zufall brachte sie auf einen genialen Gedanken.

In Pankow, wo sie zunächst aus Niedersachen hingezogen war, fielen ihr vor allem ältere Damen auf, die beim Einkaufen diese knitterfreien Beutel trugen. »Ich fand die Farben- und Musterkombinationen herrlich und wollte wissen, wo man so etwas bekommt«, erzählt Melanie Thamm. Aber die von ihr Angesprochenen reagierten entweder gar nicht, oder erklärten in vorwurfsvollem Ton, dass das ganz normale Beutel seien.

Nun erst recht zum Forschen animiert, kam sie schließlich auf die Dederon-Fährte. Auf den Markt gebracht wurde das Material 1959 als eine Erfindung der Chemiefaserindustrie der DDR. »Die Zusammensetzung entsprach dem amerikanischen Perlon, dessen Bezeichnung sich jedoch urheberrechtlich und weltanschaulich verbot«, sagt Melanie Thamm. 2001 fertigte sie den ersten Prototypen des knautschfreien Einkaufsbeutels: Aus Original-Material, das sie von Herstellern aus Sachsen erhielt.

In ihrem kleinen Kreuzberger Laden hängen und liegen inzwischen jede Menge dieser kunterbunten Waren. Knallrote mit weißen Punkten, dunkel Lilafarbene mit Rüschen oder Bordüre verziert. Manchmal arbeitet sie Bambusgriffe ein, füttert die Beutel oder versteckt noch eine Innentasche.

Es gibt Exemplare mit Fußballdesign, aber auch den weißen Einheitsbeutel. »Einer für alle« – ist darauf gedruckt. Von ihr ersteigerte Plakate, machen den Kunden auf »den Faden der vollendeten Verlässlichkeit« aufmerksam. Ein Elefant balanciert dabei auf einem hauchdünnen Dederon-Seil.

Wen interessieren denn die modernen Kreationen aus der besonderen Faser? »Leute jeden Alters«, berichtet Thamm. Es kommen Pärchen in ihr Geschäft und suchen etwas Passendes für die Oma oder ganz junge Leute, die es einfach hipp finden, ein Renaissance-Produkt zu besitzen. Manchmal kauft auch jemand eine Kittelschürze. Davon hängen auf einem Kleiderständer sogar ein paar Originale. Hier schließt sich der Kreis: In der DDR waren die Dederon-Beutel ein Abfallprodukt der Schürzenfertigung. Melanie Thamm fertigte aus den Stoff-Küchenhilfen auch schon Tragetaschen, kleine Portemonnaies, Kosmetiktaschen oder Armbänder.

Dederon-Design, Muskauer Straße 45, 10997 Berlin, geöffnet dienstags bis donnerstags von 14 bis 18 Uhr, freitags von 12 bis 18 Uhr, sonnabends von 11 bis 15 Uhr. Weitere Informationen unter www.dederon-design.de

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