Letzte Missionsstation

Im Saarland gibt es eines der größten Seniorenheime für Geistliche, die im Ausland wirkten

  • Jörg Fischer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Hoch über St. Wendel im Saarland liegt das Missionshaus des Steyler-Ordens. Es beherbergt eines der bundesweit modernsten Heime für Missionare. Zurückgekehrt aus aller Welt, verbringen hier derzeit rund 70 Ordensbrüder ihren Lebensabend.

St. Wendel. In Afrika, Asien oder Lateinamerika haben viele von ihnen jahrzehntelang missioniert und anderen Menschen geholfen. Krank und gebrechlich geworden, müssen sich die Missionare im Alter nun selber helfen lassen. Oft nach Jahrzehnten in fernen Ländern sind sie für ihren letzten Lebensabschnitt ins zentrale Altenheim der deutschen Provinz des Steyler Ordens in St. Wendel gezogen. »Die meisten hier sind dankbar, aber mit dem Herzen sind sie nicht hier«, sagt Bruder Stefan Theobald, der Leiter des Heims.

»Sie sind verbraucht ...«

So wie Pater Emil Muck. Wenn der kleine, drahtige 87-Jährige von Kongo erzählt, ist er kaum zu stoppen. Der gelernte Autoschlosser und Schreiner war fast 30 Jahre lang im Auftrag der Steyler Mission in dem afrikanischen Land tätig, baute eine Handwerksschule im entlegenen Westen auf, blieb trotz bedrohlicher Situationen durch Rebellen, trotzte Typhus, Cholera und Malaria. 1978 wurde er nach Togo versetzt und dann kam das Aus, das Herz machte nicht mehr mit.

Die ernüchternde Botschaft erreichte Muck, der zunächst nach Südtirol versetzt worden war, aus Rom: »Sie sind alt und verbraucht, suchen Sie sich ein Altenheim«, habe ihm der General des Ordens geschrieben.

Die Senioren in St. Wendel haben einige Privilegien gegenüber den Bewohnern vieler anderer Altenheime. Jeder Ordensbruder hat ein eigenes Zimmer, an den Wänden und im Flur hängen Bilder oder Kreuze, die sie selber mitgebracht haben. Und der Übergang vom Wirken hinein in den Ruhestand kann fließend gestaltet werden. So sitzt der rüstige Bruder Valentin Höcherl noch regelmäßig in der Pförtnerloge, mäht Rasen und betreut die Bienenstöcke. Eines Tages wird auch der 81-Jährige ganz ins Altenheim ziehen.

»Die Pflege ist wie in jedem anderen Altenheim«, berichtet Pflegeleiterin Christel Sebastian, die auch schon in anderen Heimen gearbeitet hat. Den Unterschied sieht sie vor allem im Tagesablauf: »Die Tagesstruktur wird hier von Messe und Rosenkranz bestimmt, in anderen Heimen ist es die Beschäftigungstherapie.« Und die weit gereisten und gebildeten Alt-Missionare seien geistig viel reger als die Bewohner vieler anderer Senioreneinrichtungen.

Der Kontakt der Brüder und Patres zu ihren Verwandten ist meist nach all den Jahren in der Fremde lose geworden. Ihre eigentliche Familie sind ihre Glaubensbrüder. Pater Eugen Rucker hat sich bewusst für St. Wendel entschieden. »Hier gibt es viel mehr menschliche Wärme als in anderen Missionshäusern«, ist der 80-Jährige überzeugt. Der hochgewachsene, aufrecht gehende Pater ist einer der vielen »Intellektuellen« bei den Steylern. Andere – zum Leidwesen des Ordens nur wenige – seiner Glaubensbrüder haben handwerkliche Ausbildungen.

»Ich bin Seiteneinsteiger«, berichtet Rucker. Er ist studierter Biologe und Germanist, 1955 trat er dem Orden bei. Nach 15 Jahren kam er dann »endlich« ins Ausland, wurde Germanistik-Professor in Japan und baute dort bis 1989 drei Pfarreien auf. »Das war meine Erfüllung. Doch dann machten meine Nerven nicht mehr mit.« Rucker konnte nicht mehr schlafen, die Ärzte attestierten ihm eine soziale Phobie: »Die haben schon gesehen, dass ich aus dem letzten Loch pfeife.«

Irdische Sorgen

Für die letzte Ruhestätte der Heimbewohner ist gesorgt. Das Missionshaus hat einen eigenen Friedhof. Bruder Stefan hat irdische Sorgen. Denn hierzulande sinkt das Interesse daran, sein Leben der Sache Gottes zu widmen. Derzeit hat die deutsche Provinz des Ordens rund 350 Mitglieder, von denen gut 70 in dem Altenheim leben: »Mittelfristig werden wir insgesamt nur noch 90 bis 100 sein.«

Für den »demografischen Knick« ist bei der Errichtung des Wendelinusheims vorgesorgt worden. Zimmer und Bäder sind auf dem neuesten Stand der Altenpflege, das Heim hat bei der Planung eine Fachberaterin zurate gezogen und sich bewusst der Kontrolle der öffentlichen Heimaufsicht unterstellt. »Wenn in einigen Jahren Zimmer nicht mehr für unsere Missionare gebraucht werden, öffnen wir uns für Priester und andere Orden oder auch ganz«, sagt Bruder Stefan.

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