Warnung vor braunen Kitas

Schweriner Ministerin Schwesig präsentiert »Radikalenerlass« für potenzielle Betreiber

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat einen Demokratie-TÜV für freie Kita-Träger eingeführt. Der Hintergrund: Im Nordosten ist aufgrund des kommunalen Finanzmangels mit einer weiteren Welle von »Kita-Privatisierungen« zu rechnen.

»Diese Nummer ist uns nicht bekannt«, sagt zur Zeit die Computerstimme, wenn man dort anruft, wo laut Telefonbuch letztes Jahr die Kita in Bartow zu erreichen war. Und noch ist auch nicht klar, ob und wann die Kinder von Bartow wieder vor Ort betreut werden können. Bevölkerungsrückgang und Alterung haben nicht nur in der kleinen Gemeinde südlich von Jarmen die Infrastruktur geschwächt. Doch der »Fall Bartow« ist ein besonderer und hatte bereits im Winter kurz für Aufsehen gesorgt.

Dort hatte sich nämlich ein Bürger angeboten, die Kindertagesstätte als freier Träger weiterzubetreiben. Ein Gehalt wollte er dafür nicht. Rechnerisch eine interessante Option. Gerade noch rechtzeitig merkte die Gemeinde, woher der Wind blies: Der hilfsbereite Bürger war NPD-Mitglied und regelmäßiger Gast der braunen Landtagsfraktion. Die Gemeindevertreter wiesen das Angebot zurück – und zwar einstimmig, wie man vor Ort mit Stolz betont. Dennoch hat der »Fall« jetzt ein Nachspiel: Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) nahm diese Episode zum Anlass, einen »Radikalenerlass« für Kita-Träger zu formulieren.

Grundgesetz als Basis

Dieser Erlass wurde gestern in Schwerin vorgestellt. Wer sich in Zukunft um den Betrieb einer Kita bewirbt, muss zuvor erklären, auf dem Boden der Verfassung zu stehen. Das gilt zunächst nur für Neuanträge. Aber auch von den bereits anerkannten Trägern, etwa den Wohlfahrtsverbänden, will Schwesig versichert haben, dass sie darauf achten, keine Verfassungsfeinde auf die anvertrauten Kinder loszulassen. »Wer sich nicht zweifelsfrei zum Grundgesetz bekennt, der darf keine Kita übernehmen«, so Schwesig.

Die Schweriner NPD-Fraktion hat die Annahme, sie würde sich in die Kitas drängen, in einer gewohnt polemischen Erklärung als »Halluzination« abgetan. Doch in den zahlreichen Rechtspostillen, die insbesondere in Vorpommern kostenlos unter die Leute gebracht werden, werden die Leser regelmäßig dazu aufgerufen, sich in Kitas und Schulen im »nationalen Sinne« einzubringen, und sei es nur im Elternkreis.

Deswegen unterstützt auch Daniel Taprogge den Erlass. Der Kita-Experte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagt aber auch: »Die Übernahme der Trägerschaft von Kitas ist nicht alleine das Problem. Die Erzieherinnen und Erzieher merken immer öfter, dass Rechtsextreme durch ehrenamtliche Angebote und die Arbeit im Elternrat versuchen, Einfluss zu kriegen«, erklärt er. Die Gewerkschaft werde versuchen, ihre Mitglieder verstärkt auf solche Situationen vorbereiten.

Für wichtig hält Taprogge den Vorstoß auch, weil eine neuerliche Welle von Kita-Privatisierungen anstehe: »Die Kommunen sitzen jetzt über ihren Haushalten, und viele werden über eine Schließung nachdenken müssen«, sagt er. Private seien nicht an den Tarif des Öffentlichen Dienstes gebunden und »können anders kalkulieren«.

Privatisierung überall

Der Nordosten ist schon jetzt Vorreiter bei der freien Trägerschaft: Im Lauf des vergangenen Jahrzehnts schloss eine kommunale Kita nach der anderen zugunsten nicht-staatlicher Träger. Taprogge schätzt, dass nur noch etwa ein Viertel der Kitas im Lande von den Kommunen selbst betrieben werden. »Insofern liegt die Maßnahme voll im Trend.«

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