Mobildusche und Kunstwerk

Rirkrit Tiravanija eröffnet die Klosterfelde Edition mit seinem Sozialobjekt

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Bicycle Shower«
»Bicycle Shower«

Nun ist auch die zweite Galerie des Familienlabels Klosterfelde in der Potsdamer Straße angekommen. Seit längerem hat dort die eigentliche Galerie in der Beletage eines noblen Bürgerhauses ihren Sitz. Lara Favaretto stellt hier unter »Out of It« drei eigens für den Ort konzipierte Objekte aus. Geplant ist, daraus eine Serie zu entwickeln, die sich als Hommage an 20 teils mysteriös verschwundene Persönlichkeiten versteht.

Der erste Raum, mit begehbarem, messinggefasstem Erdreich bedeckt, soll an den Franzosen Jean-Albert Dadas erinnern, einen zwanghaft Reisenden ohne Gedächtnis für die erreichten Stationen. Auch als Besucher wandert man ziellos über den weichen Grund. Dem Schachchampion und Weltflüchtling Bobby Fischer hat die mehrfach preisgekrönte Italienerin, Jahrgang 1973, einen massiven Holzblock errichtet und ihn so hinter dem Eingang in den dritten Raum platziert, dass eben noch ein Durchgang für eine Person bleibt.

Das Kunstmemorial erzwingt sich Beachtung, gibt indes, wie ehedem auch der 2008 verstorbene Fischer, nicht sein Innenleben preis. Erde bedeckt wie ein Grab den Quader, an der versteckten Schmalseite taucht statt des Holzes unerwartet Messing auf, spiegelt nichts als die Wand. Der Mittelraum setzt dem italienischen Physiker Ettore Majorana über eine winzig hängende goldene Trillerpfeife ein Denkmal: Mit 31 verschwand er bei einem Bootstrip, ob durch Suizid oder in tragischer Verantwortung für sein Wissen um die Negativfolgen der Kernspaltung, ist ungewiss. Warnen kann die Pfeife nur symbolisch, stumm bleibt sie als Kunstgebilde.

Seit 1990 führt Helga Maria Klosterfelde ihre Edition, zuerst in Hamburg, ab 2006 dann in der Linienstraße. Im Juni hat der Ausstellungsort für Auflagenarbeiten sein Domizil nahe der Galerie bezogen. Der Laden eines altgedienten Geschäfts für Schreibwaren, mit gewaltigem Einbauregal und Schubern für die einzelnen Papierformate, bietet ein heimeliges Ambiente. In den Regalfächern, so Kurator und Klosterfelde-Sohn Alfons, lassen sich vorteilhaft kleinere Arbeiten zeigen.

Im Mittelpunkt der Debütexposition am neuen Ort steht jedoch ein jüngerer Künstler aus Thailand. »Untitled (Bicycle Shower)« nennt er, was auf Holzdielung zu besichtigen ist. An einem niedrigen weißen Fahrrad befindet sich ein Schlauch, der in einer Dusche endet. Voll funktionsfähig soll das Exponat sein, hat seine stählerne Packkiste gleich neben sich und spielt auf ein Original an, wie es nahe Chiang Mai im Norden Thailands benutzt wird.

Dort haben Rirkrit Tiravanija, geboren 1961 in Buenos Aires, und Freunde aus einem Reisfeld »The Land« geformt, ein experimentelles Projektgelände für ihr soziales, ökonomisches und ökologisches Engagement. Nach einer Professur in New York lebt Tiravanija jetzt auf »The Land«, betreibt Landwirtschaft und lädt Künstler ein, dort etwas Nützliches, etwa Reislager oder Wohnungen, zu entwerfen. So entstand auch jenes Fahrrad. Es treibt eine Pumpe an und drückt Wasser im Schlauch hoch, das aus einer Dusche austritt.

Nur selbst produzierte Arbeiten in limitierter Auflage zeigt Kosterfelde Edition. Tiravanijas Rad ist sein drittes Objekt für die Galerie, alle wurden sie auf »The Land« hergestellt, dienen durch den Verkauf dem Broterwerb der Erbauer. Jenes miniaturisierte Rad ist dennoch mobile Dusche oder auch »nur« Kunstwerk. Weitere Exponate sind »Atlas II bis VI«, Tiravanijas von 1995 und 2007 angefertigte Fotocollagen über Lebensmomente, ob Bilder von den Kochsessions als Forum zur Kommunikation, von Museumsbesuchen, schwimmenden Märkten oder bloß Schnappschüsse seiner Reisen. Ein Kochbuch ist daher auch Tiravanijas neueste Publikation.

Bis 14.8., Klosterfelde Edition, Do.-Sa. 11-18 Uhr, Potsdamer Str. 97, Charlottenburg, Telefon 97 00 50 99, Infos im Netz unter: www.helgamariaklosterfelde.de

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