Widerlegte Dementis zu CIA-Gefängnis

Polens Bündnistreue und seine Staatsräson

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Im Sommerloch tauchte ein heikles Thema wieder in Polens Medienwelt auf: Es geht um das geheime CIA-Gefängnis, das in den Jahren 2002 und 2003 auf polnischem Hoheitsgebiet unterhalten wurde und in dem mutmaßliche al-Qaida-Mitglieder bei Verhören gefoltert wurden.
Von »strengster Geheimhaltung« umgeben: der Flugplatz Szczytno-Szymany in dem Masuren ND-
Von »strengster Geheimhaltung« umgeben: der Flugplatz Szczytno-Szymany in dem Masuren ND-

Nur eine halbe Stunde lang erschien diese Nachricht aus dem Dienst der Zeitung »Rzeczpospolita« und der »Agencja Informatyczna« (IA) am Wochenende auf der Internet-Plattform ONET: Der polnische Grenzschutz hat der Helsinki-Gesellschaft für Menschenrechte mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft den Aufenthalt von etwa 20 CIA-Gefangenen aus verschiedenen Staaten Asiens und Afrikas in einem »Sondergefängns« auf dem Gelände der Geheimdienstschule in Masuren bestätigt.

Diese Meldung stimmt mit einem Bericht von UNO-Beamten aus dem Dezember 2002 überein. Nur wurde die Tatsache bisher in Polen offiziell stets geleugnet. Zwar gab der damalige Staatspräsident Aleksander Kwasniewski nach Ende seiner Amtszeit zu, dass CIA-gecharterte Maschinen auf dem Flugplatz Szczytno-Szymany gelandet sein könnten. Aber nur zum Auftanken, wie er betonte. Und das sei nach einer Absprache zwischen US-amerikanischen und polnischen Diensten völlig normal gewesen.

Aus einem jetzt bekannt gewordenen Dokument des Grenzschutzes geht jedoch hervor, dass besagte CIA-Maschinen zwischen Dezember 2002 und September 2003 insgesamt 16 Mal in Szymany landeten und dass nicht alle an Bord befindlichen Passagiere die Weiterreise antraten.

Einer 2005 in der »Washington Post« veröffentlichen Nachricht darüber hatte die polnische Seite stets scharf widersprochen. Abgelehnt wurden auch der Bericht der Sonderkommission des Europarats unter Vorsitz Dick Martys und eine Anfrage des Europäischen Parlaments zu diesem Fragenkomplex. Auf Drängen der Helsinki-Stiftung, die sich nach den Worten ihres Sprechers Adam Bodnar um die Klärung des Sachverhalts bemühte, leitete die Staatsanwaltschaft im Jahre 2008 – als die Bürgerplattform (PO) bereits ein Jahr lang regierte – ein Verfahren ein. Unter den vielen in der Sache Vernommenen befanden sich Aleksander Kwasniewski, die ehemaligen Regierungschefs Leszek Miller und Kazimierz Marcinkiewicz sowie mehrere leitende Personen der polnischen Geheimdienste, die sich alle auf Polens Bündnispflicht beriefen. Die Sachlage war laut »Dziennik« auch Lech und Jaroslaw Kaczynski bekannt. Auch sie wiesen auf die Treue zum Bündnis mit den USA als polnische Staatsräson hin.

Im Juni 2010 bemängelten die Helsinki-Stiftung, Amnesty International und Human Rights Watch bei der polnischen Staatsanwalt, warum das Verfahren nach drei Jahren immer noch nicht abgeschlossen sei. Wie die »Gazeta Wyborcza« in ihrem Nachrichtendienst schrieb, wies Jerzy Szymanski von der Generalstaatsanwaltschaft den Vorwurf der Nachlässigkeit scharf zurück, die Sache unterliege eben »strengster Geheimhaltung«. Szymon Liszewski von der Berufungsstaatsanwaltschaft sagte der Polnischen Presseagentur (PAP) am vergangenen Freitag, dass eine Information über die »Angelegenheit« zur Zeit ausgeschlossen sei.

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