Ein Welterbe steht unter Wasser

Hochwasser – im Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechische Republik ist Land unter / Neiße flutet den Pückler-Park in Bad Muskau / Politiker besichtigen Schadensgebiet

  • Hendrik Lasch, Bad Muskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Hochwasser der Neiße hält Ostsachsen weiter in Atem. Der Pückler-Park in Bad Muskau steht unter Wasser. Andernorts wird sichtbar, welche Schäden das Wasser angerichtet hat.

Im August 2002 war Bernd Geisler Chef des Schrammsteinbads Bad Schandau. Die Therme mit malerischem Blick auf die Sandsteinfelsen war ein beliebtes Ausflugsziel, bevor die Jahrhundertflut der Elbe das Bad verwüstete. Acht Jahre später leitet Geisler das Kurhotel Fürst Pückler am Markt von Bad Muskau. Gestern schien sich für ihn die Geschichte zu wiederholen: Bis auf wenige Schritte hat sich das Wasser der Neiße an das Hotelportal herangearbeitet. Vor Seitentüren liegen Sandsäcke. Geisler steht im Foyer und hofft nur, »dass wir trockene Füße behalten«.

Mittags sieht es so aus, als könnte der Hotelchef Glück haben. »Wir werden wohl mit einem blauen Auge davonkommen«, sagt Andreas Bänder, Bürgermeister von Bad Muskau. Übernächtigt und in blauer Strickjacke steht er am Feuerwehrgebäude. Zwar bringt ein Lkw weiteren Sand, den Soldaten in Sandsäcke füllen. Der Pegel der Neiße aber, der sechs Meter erreicht hat und damit viermal so hoch steht wie normal, »wird wohl nicht mehr steigen«, sagt Bänder.

Es reicht freilich, um das Schmuckstück der Stadt zu fluten. Der Pückler-Park, der von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde, gleicht einem See; um die rote Fassade des erst voriges Jahr nach langer Restaurierung übergebenen Neuen Schlosses steht das Wasser. Wo sonst Touristen flanieren und den Blicke auf künstliche Ruinen und alte Bäume genießen, strudelt braune Brühe. Überrascht ist niemand im Ort, so Bänder. Die Neiße mäandert direkt durch den Park. Dass sie ihn bei Hochwasser überflutet, »ist nicht zu verhindern«.

Immerhin hatte man, anders als weiter flussaufwärts in Zittau und Görlitz, genügend Zeit, sich nach einem Dammbruch in Polen auf eine Flut vorzubereiten, die an den Rekord von 1981 herankommt. Seit Samstagnacht sind im Schloss Ausstellungsstücke und Technik in obere Etagen getragen und Türen mit Sandsäcken blockiert worden. Feuerwehrleute sowie Helfer von Bundes- und Landespolizei waren im Einsatz, insgesamt 270 Mann. Das Wasser wird Unheil anrichten, so Bänder. Er hofft aber, dass sich »die Schäden im Rahmen halten«.

Anderswo hat das Wasser gewütet. In Podrosche und Sagar bei Bad Muskau, wo 160 Menschen evakuiert worden waren, brachen Deiche und setzten die Orte unter Wasser. Straßen und Bahnlinien zwischen Görlitz und Zittau sind teils völlig zerstört. In Bautzen suchte sich die von heftigen Regenfällen entfesselte Spree ihr altes Bett und strömte durch die Hallen des Bombardier-Werkes. Die Schäden allein in der Filiale des Bahntechnik-Konzerns, wo 1200 Menschen arbeiten, gehen in die Millionen. »Dort scheint Soforthilfe nötig zu sein«, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) nach einem Besuch.

Ulbig war nur einer von vielen Politikern, die sich im Schadensgebiet ein Bild von der Lage machten, bevor ab 16 Uhr das Kabinett in Dresden beraten wollte. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière besichtigte Flutschäden, statt sich wie geplant in Zgorzelec mit seinem polnischen Kollegen zu treffen. Er habe »den Geruch von vor acht Jahren wieder in der Nase«, sagte der CDU-Mann, der in Gummistiefeln im Muskauer Park stand. Hotelchef Bernd Geisler plagten ebenfalls ungute Erinnerungen. Immerhin: Sein Haus war voll. Statt Radtouristen beherbergte es 85 als Fluthelfer herbeigeholte Bundespolizisten.

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