Kolorierte Altgriechen

Das Pergamonmuseum stellt »Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur« vor

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Da hat man seinem Wissen um das Wesen altgriechischer Kunst vertraut, und nun dies: Die Plastiken, Tempel, Stelen waren im Original bunt bemalt. Was eine TV-Dokumentation zeigte, ist im Pergamonmuseum zu besichtigen. »Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur« klärt auf, dass sich griechische Kunst nicht im Licht-Schatten-Spiel auf hellem Marmor gefiel, das den Körpern nackter Jünglinge oder lustvoll bedeckter Mädchen geschickt Plastizität verlieh. Farbe überzog die Oberfläche, mit Ornament und Einlage, ließ dem Marmor die Funktion der aufnahmewilligen Unterlage.

Seit 30 Jahren befasst sich der Archäologe Vinzenz Brinkmann mit jenem Phänomen und fand Unterstützer in antiken Autoren. So zeichnete der Römer Plinius auf, Athens Bildhauer Praxiteles habe die ästhetische Wirkung seiner Skulpturen auf deren meisterhafte Farbfassung durch Nikias zurückgeführt. Auch bei Euripides gibt es Belegstellen für polychrome Plastiken, selbst Winckelmann, dem Begründer der klassischen Archäologie, dämmerte diese Erkenntnis. Seit 2003, der Eröffnung in München, tourt die revolutionäre Exposition durch renommierte Museen, von Athen bis zum Vatikan, von Harvard bis Malibu, und hält für Berlin eine erweiterte Version bereit.

Gleich am Eingang präsentiert sich die Peplos-Kore der Athener Akropolis in zwei Farbvarianten. Rot, blau, grün, gelb sind Körper und Stoff bemalt, Goldpfeile krönen das Haupt. Als die Akropolis 480 v. Chr. durch die Perser zerstört wurde, vergrub man auch jene Mädchenplastiken, was ihre Farbe schützte. UV- und Streiflicht, chemische und optische Analyse wiesen knapp 2500 Jahre später Farbpigmente nach, die Verbindungen mit dem Marmor eingegangen waren, ihn auch bewahren halfen. Durchgängig Naturstoffe verwendeten die antiken Künstler, gewannen Rot aus Zinnober und Krappwurzeln, Gelb und Orange aus Ockererde, zerrieben Halbedelsteine wie Azurit (Blau) und Malachit (Grün), nutzten ein Weißgemisch zum Aufhellen der Farben.

Auch für die Rekonstruktionen wurden nur Naturpigmente eingesetzt, wie sie das Original spurenweise vorgibt – etwa bei einem Löwen aus einem Korinther Grab mit knallblauer Mähne und der Fellzeichnung seines Gesichts.

Mäanderverziert ist das Gewand der Amazonenkönigin Antiope, die von Theseus überwältigt wird; original erhalten sind Farbreste der Festtracht einer Frau aus dem Apollontempel in Didyma. Im Zentrum der Ausstellung stehen zwei andere Frauendarstellungen: die hervorragend erhaltene, mit Bleihülle vergrabene »Berliner Göttin« und die erst 1972 in Attika gefundene Grabfigur der Phrasikleia, 540 v. Chr. datiert und damit nur wenige Dezennien jünger als die Göttin. Erkennt man auf dieser mit bloßem Auge die originalen Farben, so ist die Kopie der Phrasikleia vollkommen bemalt, bis zu Glanzlack auf der Iris, Auflagen von Gold und Bleizinnfolie für den Kleiderschmuck. Weniger entrückt wirkt jener Abguss als die ganz aus der Form sprechende, doch ähnlich statuarische Göttin. Selbst der Fries um das Schatzhaus der Silberwerksinsel Siphnos in Delphi erzählt den Kampf von Achill und Memnon nun in Farbe; fast grell gibt sich die rot grundierte Grabstele des Aristion in ihren klar abgesetzten Kleiderfarben. Weißgrundige Lekythen, schmalhalsige Grabkrüge für Salböle, waren ebenso bemalt, wie man Bronzen etwa einer Aphrodite, Diana, Luna mit polychromen Einlagen verzierte.

Für den »Perserreiter« von der Athener Akropolis ermöglichten 300 Farbanalysen eine reale Kopie mit gemustertem Beinkleid; Höhepunkt mag ein rekonstruierter Tympanonteil vom Aphaiatempel auf der Insel Aigina sein: Athena flankiert von zwei prächtig eingefärbten und ornamentierten Bogenschützen. Beeindruckt vom zarten Kopf eines Kriegers, Ausschnitten des »Alexandersarkophags« oder Caligulas nuanciertem Porträt, beginnt man mit der »neuen« Oberfläche antiker Plastik Frieden zu schließen.

Bis 3.10., Pergamonmuseum, Am Kupfergraben 5, Mitte, Telefon 20 90 55 77, Infos unter www.smb.museum.de

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