Strampeln auf Kohlhases Spuren

Axel von Blomberg schrieb den ersten Reiseführer zum Radweg Berlin-Leipzig

Der Radfernweg Berlin-Kopenhagen ist sehr beliebt. Schließlich geht es durch die mecklenburgische Seenplatte und zur Ostseeküste. Doch wer käme auf die Idee, nach Leipzig zu radeln. Diese Strecke bietet doch gar nichts, oder? Falsch gedacht! Axel von Blomberg schwärmt von weiten Feldern und riesigen Wäldern. »Zweitrangige Werbetexter reden ja dann häufig von Natur pur und baumelnden Seelen«, bemerkt er ironisch. Der Autor schrieb schon einen Reiseführer über die schönsten Radtouren rund um Berlin. Sein neuestes Werk befasst sich mit dem Radweg Berlin-Leipzig. Gestern stellte er es vor. Es handelt sich um den ersten Radreiseführer zu dieser Strecke. Sie beginnt am Brandenburger Tor und endet am Leipziger Hauptbahnhof. Angelegt wurde die Strecke im Zuge der gescheiterten Bewerbung der Stadt Leipzig für die Olympischen Spiele 2012.

Richtig gut ausgeschildert sei der Radweg erst hinter Sperenberg, verrät von Blomberg. Davor gebe es nur provisorische Markierungen mit Aufklebern und in Berlin noch überhaupt keine Kennzeichnung. In der Hauptstadt dauere so etwas immer länger als anderswo. Doch das sei nachvollziehbar. Auf dem flachen Lande genüge manchmal ein Hinweisschild zum nächsten Dorf, während in der Großstadt an fast jeder Straßenecke eins nötig sei.

Neben Karten und Wegbeschreibungen sind in dem Buch Adressen von Unterkünften enthalten, außerdem Hintergrundinformationen über Sehenswürdigkeiten und historische Ereignisse wie die Verfolgung der Juden durch die Faschisten und die in den napoleonischen Befreiungskriegen wichtige Schlacht bei Dennewitz.

230 Kilometer lang ist der Radweg. Wer sich bis zu 55 Kilometer lange Etappen zutraut, schafft es in fünf Tagen bis Leipzig. Gut die Hälfte des Weges führt durch Brandenburg: über Orte wie Zossen und Jüterbog. Axel von Blomberg führt die Radtouristen auf den Spuren des legendären Pferdehändlers Kohlhase, dem die Tiere auf dem Weg zur Leipziger Messe geraubt wurden, der sich mit einer Fehde um sein Recht bemühte und schließlich hingerichtet wurde.

Der Autor nennt auch Alternativen zum offiziellen Weg. Dann geht es etwa darum, der lauten Bundesstraße 96 auszuweichen und stattdessen auf einem romantischen Pfad den Rangsdorfer See zu erreichen – oder mit dem Bahnhof Dabendorf jene Stelle, wo ein elektrischer Triebwagen 1903 mit 210 Stundenkilometern den damaligen Geschwindigkeitsrekord brach. Zudem empfiehlt der Verfasser einen Abstecher nach Luckenwalde. Das sieht die offizielle Streckenführung nicht vor. Doch von Blomberg bedauert das. Ihm zufolge sorgten weitsichtige Kommunalpolitiker und Architekten nach dem Ersten Weltkrieg für eine sozial orientierte Gestaltung der Stadt, für neuzeitliche Siedlungen, öffentliche Gebäude und fortschrittliche Industriearchitektur. Keine andere deutsche Stadt sei in den 1920er Jahren derart nach den Grundsätzen der Moderne umgekrempelt worden. Das müsse man sich ansehen.

Die Radtour führt durch Schönefeld, den Geburtsort des Studentenführers Rudi Dutschke, und vorbei an den Sperenberger Gipsbrüchen, wo 1867 mehr als 1000 Meter tief gebohrt wurde – auch dies damals ein Weltrekord.

Axel von Blomberg, 1981 nach Westberlin gezogen, gehört zu den frühen Aktivisten des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. Er kämpfte mit »Briefen an den Generalsekretär« dafür, mit dem Rad nach Ostberlin einreisen zu dürfen, um Touren zum Beispiel an den Müggelsee zu unternehmen. 1988 erlaubte die DDR wenigstens, Räder auf dem Autodach über die Grenze zu befördern. »Wir haben uns dann immer mit einem Autofahrer verabredet«, erinnert sich von Blomberg. Leben kann er von seinen Radreiseführern nicht. Er schreibt sie aus Überzeugung.

Axel von Blomberg: »Radweg Berlin-Leipzig«, Verlag grünes herz, 92 Seiten (brosch.), 8,95 Euro, ND-Buchbestellservice, Tel.: (030) 29 78 17 77

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