Grünes Licht fürs Schanzenfest

Hamburgs neuer Bürgermeister Ahlhaus hält Deeskalationskurs

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Das von Anwohnern selbstorganisierte Schanzenfest wird auch in diesem Jahr stattfinden.

Das symbolträchtige Schanzenfest soll auch in diesem Jahr geduldet werden. Obwohl sich »im Stadtteil Sternschanze wieder kein Anmelder gefunden hat«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Leiters vom zuständigen Bezirksamt Hamburg-Altona Jürgen Warmke-Rose, der grünen Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk und Christoph Ahlhaus (CDU) – seine letzte Amtshandlung als Innensenator. Seit gestern ist er Bürgermeister der Hansestadt.

»Wir wollen ein selbstorganisiertes Fest ohne Polizei, Standgebühren oder Behörden, die mittels seitenlanger Auflagenbescheide die Einhaltung der bürgerlichen Normen kontrollieren«, lautet die Erklärung in dem mit »Anwohnerinnen und Anwohner« unterzeichneten Aufruf für das Fest. Andernfalls drohe es, in eine »glatt gebügelte, kommerzielle Großveranstaltung wie dem Alstervergnügen« umgewandelt zu werden.

Vor allem aus dem bürgerlich-konservativen Lager werden die Behörden immer wieder kritisiert. Sie würden zu lasch vorgehen gegen den Rechtsverstoß, auf Hamburgs Straßen eine nicht angemeldete Veranstaltung abzuhalten, bei der Gewaltausbrüche zum Festritual gehörten. Zum spätabendlichen Ausklang des Festes kommt es regelmäßig zu schweren Zusammenstößen zwischen Besuchern und der Polizei. Müllcontainer werden in Brand gesetzt, Beamte mit Steinen und Flaschen beworfen, Banken, Geschäfte und geparkte Autos in der Umgebung demoliert. Teilweise habe die Einsatzleitung mit einer umstrittenen Taktik, Bereitschaftspolizeitrupps in voller Kampfmontur durch die feiernde Masse patrouillieren zu lassen, erheblich zur Eskalation beigetragen, halten Unterstützer des Festes wie die LINKEN-Bürgerschaftsfraktion entgegen.

In diesem Jahr ein Novum: Klausmartin Kretschmer, der Eigentümer des seit 1989 besetzten Gebäudes des Stadtteilzentrums Rote Flora, hat angeboten, das Fest anzumelden. Dass der Immobilienkaufmann seine Bereitschaft bekundet habe, sei aber noch nicht als Anmeldung zu werten, gab Bezirkssprecherin Kerstin Godeschwege zu bedenken. Dafür müssten noch diverse Formalitäten erfüllt werden. Ein schwieriges Unterfangen: Kretschmer unterhält keinerlei Kontakte zu den Initiatoren des Festes.

Spätestens seit er 2009 den Verkauf der Immobilie an private Investoren und damit eine Räumung der Flora nicht ausschloss, bildet er das Schlusslicht auf der Beliebtheitsskala der linken Szene im Viertel. Die Entscheidung zur Deeskalation kam nicht unerwartet. Ein von den Veranstaltern – darunter auch zwei Dutzend Gruppen aus dem Netzwerk Recht auf Stadt – als Vermittler eingeschalteter Rechtsanwalt hatte eine »Wahrung der Sicherheitsstandards garantiert«. Und die Behörden hatten in den vergangenen Wochen zumindest in zarten Pastelltönen grünes Licht signalisiert.

Für den als Law-and-Order-Typen verschrienen Nachfolger des als liberal geltenden Ole von Beust (CDU) ist das Fest eine gute Gelegenheit, eine Geste der Kompromissbereitschaft an den Koalitionspartner GAL zu senden. Dessen Spitze braucht für die Parteibasis dringend einen Beleg, dass sie den Hardliner zu besänftigen weiß. Viele GALier hatten der Fortsetzung von Schwarz-Grün unter Ahlhaus nur widerwillig zugestimmt.

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