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Zum Kannibalen
Sarah Liebigt schmecken fade Witze nicht
»Das dicke, dicke Kind der Nachbarn schreit stundenlang vor deiner Tür (draußen vor deiner schönen Tür). / Gib ihm ein Überraschungsei und du kriegst frisches Fleisch dafür.« – Diese Zeilen aus einem ruhigeren Lied der Punkrock-Band »Die Ärzte« gehören normalerweise nicht zu den Zitaten, die einem bei der täglichen redaktionellen Arbeit einfallen.
Vergangene Woche jedoch machte eine Nachricht die Runde, die zunächst nach fehlplatziertem Aprilscherz aussah. In Berlin wolle ein Restaurant öffnen, in welchem ausschließlich Menschenfleisch serviert würde, hieß es da. Nun ja, mag sich manch einer gedacht haben, ob Berlin gerade mal wieder versucht, seinem Ruf der verrückten Stadt gerecht zu werden? Wenn Menschen sich in Plaste gepresst post mortem der visuellen Verwertung preisgeben – wieso dann nicht auch der gustatorischen?
»Baby, es gibt so viele Menschen, längst nicht alle werden satt. / Da ist es schön, dass dies Problem eine simple Lösung hat. Gib Schweinen eine Chance, lass die armen Rinder in Ruh. / Lass Lämmer länger leben, die schmecken nicht besser als Du.« Länger leben lassen will der Deutsche Vegetarierbund die Vierbeiner und mit der gefälschten Meldung spektaklige PR betreiben.
Ob es ihm gelungen ist, damit dem Leser Begeisterung und Interesse zu entlocken? Zweifelhaft. Aus dem Gedächtnis des gemeinen Berliners verschwindet die obskure Kannibalenkneipe genauso schnell wie die Erinnerung an den Ärztesong, der eben im Radio lief.
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