Steuergesetz in den USA: Trump entmachtet seine Wähler

Das neue US-Steuergesetz beweist: Den Republikanern sind ihre Wähler völlig egal. Sie gehorchen nur noch Präsident Trump. Ein Kommentar

Steuersenkungen für Reiche und Großkonzerne, weniger Sozialleistungen für Arme: Für die US-Republikaner offenbar ein Grund zu großem Jubel.
Steuersenkungen für Reiche und Großkonzerne, weniger Sozialleistungen für Arme: Für die US-Republikaner offenbar ein Grund zu großem Jubel.

Das neue Steuergesetz sei ein Sieg für Donald Trump, heißt es in fast allen Überschriften. Doch wo Sieger sind, gibt es auch Verlierer, und das sind vor allem die unteren Einkommenshaushalte der USA, deren winzige Steuernachlässe schon bald um ein Vielfaches von Kürzungen bei Sozialprogrammen und Krankenversicherung aufgefressen werden. Immer mehr dieser Menschen hatten zuletzt Trump und den Republikanern ihre Stimme gegeben, weil ihnen versprochen wurde, sie aus der Armut zu holen. Die Republikaner stimmten nun aber für ein Gesetz, das ihren eigenen Wählern schaden wird.

Auch wenn die Sozialkürzungen erst nach den Zwischenwahlen nächstes Jahr in Kraft treten, werden die Konservativen irgendwann dafür an der Urne bezahlen müssen. Jene Bürger, die sich bereits vorab über das Gesetz informiert hatten, sprachen sich schließlich in unzähligen Umfragen mehrheitlich dagegen aus. Das gilt auch für republikanische Haushalte. In einer Demokratie reicht das normalerweise, um ein Vorhaben im Parlament zu stoppen oder es zumindest abzumildern, weil die Abgeordneten befürchten müssen, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden. Es ist das Grundwesen der Demokratie.

Die Republikaner im US-Kongress zeigen jedoch weniger Angst vor ihren eigenen Wählern, die sie offenbar für uninformiert und manipulierbar halten, als vor der Rache des Präsidenten, sollten sie ihm nicht folgen. Wochenlang schworen Dutzende von ihnen öffentlich, gegen die neue Staatsverschuldung in Rekordhöhe oder gegen die Kürzungen an der Krankenversicherung Medicaid stimmen zu wollen, nur um am Ende doch fast unisono dafür zu stimmen – ohne irgendeine Änderung am Gesetz.

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Auch wenn Trumps größtes Druckmittel gegen diese Abgeordneten die Unterstützung eines Gegenkandidaten bei – immer noch – freien Wahlen sein mag, verdeutlicht diese Machtverschiebung vom Willen der Wähler hin zum Willen des Staatschefs die Abkehr von der Demokratie hin zur Autokratie. Trump hat das nicht erfunden; Personenkult ist eine altbekannte Strategie meist rechter Diktatoren, die mit der Kontrolle von Medien und Botschaften sowie der Sicherung eines absolut loyalen Wählerblocks beginnt.

Natürlich ist es auch für die Opposition unter diesen Umständen schwierig, mit ihren Warnungen durchzudringen. Wenn aber die Hälfte der US-Bevölkerung noch überhaupt nichts von dem Gesetz gehört hat und gerade einmal acht Prozent wissen, dass es Millionen Menschen ihre Krankenversicherung kosten wird, ist das ein Armutszeugnis für die US-Demokraten. Einst galt die Demokratie der USA als die liberalste der Welt. Doch sie scheint nicht immun gegen ihre Zerstörung zu sein. Hier haben all jene versagt, die diese Demokratie verteidigen wollen.

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