Liberal mit Pickelhaube

Kiel zeigt sich nach dem Beamten-Streik im Juni rachsüchtig

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Voraussichtlich wird der Kieler Landtag heute einen Antrag der Links- und der Grünen-Fraktion ablehnen, der eine Rücknahme der Sanktionen gegen verbeamtete Lehrer fordert, die an dem Streik im Juni teilgenommen haben. Offenbar sollen Streikteilnehmer weitgehend von Beförderungen ausgenommen werden.

Ekkehart Klug hat die Quadratur des Zirkels geschafft – höhnen zumindest die politischen Gegner des Bildungsministers von Schleswig-Holstein. Die Bildungsgewerkschaft GEW zum Beispiel stellt ihn nur noch mit einer preußischen Pickelhaube dar. Ein »bildungspolitischer Chaot« sei der FDP-Mann – und ein »Bewahrer des Untertanengeistes« zugleich.

Zum Chaos-Vorwurf mag politischer Wille gehören. Schließlich hat das Ministerium nicht aus Schusseligkeit beispielsweise darauf verzichtet, sich für das 12- oder 13-Jahre-Abitur zu entscheiden: Es soll Konkurrenz geben zwischen den Schulen. Die Sache mit der Pickelhaube dagegen hat Evidenz: Kaum je hat ein Land so hart auf einen »Beamtenstreik« reagiert wie Schleswig-Holstein nach dem Ausstand der Verbeamteten am 3. Juni, bei dem es unter anderem auch um die Schulzeitfrage gegangen war.

In der Regel führt die Teilnahme an einem Streik bei Beamten neben dem anteiligen Lohnabzug zu einem Eintrag in der Personalakte, der dann nach zwei Jahren gelöscht wird. In Kiel befürchten Gewerkschafter nun einen breit angelegten Beförderungsstopp, der schon weit unterhalb der Schulleiterebene einsetzen könnte – etwa bei Beförderungen zum Oberstudienrat. »In Schulen mit Beförderungsämtern wie Gymnasien oder Berufsschulen zeichnet sich das ab«, sagt Bernd Schauer von der GEW in Kiel.

Bei den Gewerkschaftern hätten sich zudem in den letzten Tagen Lehrer gemeldet, denen nach ihrer Streikteilnahme bedeutet worden sei, sie müssten sich um die Bewerberverfahren für Leitungsfunktionen gar nicht mehr bemühen, klagt Schauer weiter.

Bekannt waren bereits mehrere Fälle auf Schulleitungsebene: Lehrer, die etwa als Stufen-Koordinatoren zur Schulleitung gehörten und noch in der Probezeit waren, wurden ebenso abgestraft wie eine bereits vom zuständigen Ausschuss gewählte Schulleiterin, die vom Ministerium dann nicht bestätigt wurde. In Elmshorn wurde ein bereits bestätigter Schulleiter in Probezeit nicht für eine Weiterbeschäftigung vorgesehen. Bei knapp 2000 Lehrern wurde ein Eintrag in die Personalakte vorgenommen.

Auch für Ilse Schaad wäre das etwas neues. Die Rechts- und Tarifexpertin des GEW-Bundesvorstands berichtet zwar von Einzelfällen, in denen die Länder hart reagiert hätten; so war vor Jahren in Brandenburg ein Mitarbeiter der Bildungsverwaltung vor der Disziplinarkammer gelandet, weil er als Gewerkschafter zu einem Streik aufgerufen hatte. Für eine derart breite Reaktion, wie sie sich nun womöglich im Norden abzeichnet, kennt sie keine Beispiele.

»Es ist völlig überzogen, gestandenen Lehr- und Führungskräften mit jahrelanger Berufserfahrung aufgrund eines dreistündigen Streiks die Befähigung für eine Leitungsposition abzusprechen«, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Links- und der Grünen-Fraktion im Kieler Landtag, den die CDU-FDP-Koalition heute wohl zurückweisen wird. Die Analyse des Antrags, dass »wenige für die vielen« bestraft werden sollten, die an dem Lehrerstreik teilgenommen hätten, klingt schon fast überholt.

Im Interesse der Mitglieder, sagt Schauer, werde man weiter versuchen, mit dem Ministerium eine »elegante Lösung« zu finden. Zugleich geben sich die Gewerkschafter kämpferisch: Die GEW will das Streikverbot für Beamte bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen, weil der einem türkischen Lehrer das Streikrecht zugesprochen hat. Das türkische ist dem deutschen Beamtenrecht nämlich nachgebildet.

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