Wolfgang Spier

König des Boulevards

  • Caroline Bock, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Er war mit Harald Juhnke einer der »Sonny Boys« und hat mehr als 250 Theaterstücke inszeniert. Wolfgang Spier wurde einmal »König des Boulevards« getauft, seine Sketchserie »Ein verrücktes Paar« schrieb Fernsehgeschichte. Am heutigen 27. September wird er 90 Jahre alt. Der Berliner Schauspieler und Regisseur ist rüstig: In Hamburg gibt er derzeit den »lustigen Witwer«. Danach geht die von ihm übersetzte Komödie von Simon Moss auf Tournee. Diese führt Spier auch in seine Heimat: ans Theater am Berliner Kurfürstendamm.

Dort hat er erlebt, wie früher die Touristen – nach dem »Mauergucken« und einem Musical im Theater des Westens – in die Kudamm-Bühnen nur so strömten. Spier kennt noch die Zeiten, in denen es die West-Berliner Bühnenfamilie gab: mit Größen wie Juhnke, Günter Pfitzmann und O. E. Hasse, die sich in ihrer Stammkneipe am Savignyplatz trafen. Er war einer der Theaterpioniere in der einst geteilten Stadt, die Kudamm-Bühnen bedeuten Spier viel. »Meine ganze Karriere hat hier angefangen.« Klar, dass am Kudamm auch heute Abend sein Geburtstag mit viel Prominenz gefeiert wird.

Geboren wurde Spier in Frankfurt am Main, aber er lebt schon seit 1929 in Berlin. Eigentlich wollte er Arzt werden, was ihm wegen seiner jüdischen Herkunft nicht möglich war. Zufälle brachten ihn zum Theater. Prägend war seine Zeit in Wiesbaden als Regieassistent von Karl-Heinz Stroux, dem er später nach Düsseldorf folgte. 1950 gründete er mit Berliner Kollegen wie Horst Buchholz und Wolfgang Neuss den Theaterclub im British Center. »Das war eine wichtige Aufbruchzeit«, erinnert sich Spier.

Es folgten mehr als fünf Jahrzehnte mit Inszenierungen an vielen deutschen Bühnen: Kabarettabende, Musicals, Komödien von Shakespeare und Pinter, dazu alle einschlägigen Boulevardautoren, von Neil Simon bis Curth Flatow. Oft spielte er selbst mit. Seine Glanzstücke waren Stücke wie »Mein Freund Harvey« und »Ein Käfig voller Narren«.

Was macht ein gutes Theaterstück aus? »Dass es beim Publikum ankommt.« Man spielt nicht für die Presse, sondern für die Zuschauer, findet Spier. Er ist mit dem legendären Kritiker Friedrich Luft einer Meinung: »Das Leichte ist das Schwerste.« Als Schauspieler das Publikum zum Weinen zu bringen, sei einfacher, als es zum Lachen zu bringen. So jemand wie der 2005 verstorbene Juhnke sei ein Allrounder gewesen fürs Heitere und Ernste. Schauspieler, die Spier heute gut gefallen, sind Herbert Herrmann und Thomas Fritsch.

Spier war auch Synchronsprecher und Redakteur beim Radiosender Rias Berlin. Im Fernsehen moderierte er »Allein gegen alle« und »Wer dreimal lügt«. Zuschauer kennen ihn aus TV-Klassikern wie »Der Kurier der Kaiserin« und »Drei Damen vom Grill«. Mit Juhnke und Grit Böttcher drehte er ab 1977 »Ein verrücktes Paar«. Während manche seiner Kollegen Durststrecken hatten, konnte Spier nie klagen. Musste er je Klinkenputzen? »Noch nicht«, sagt er lachend.

Die Redensart vom »traurigen Clown« ist für Spier ein Klischee. Er ist auch privat ein eher heiterer Mensch. Erst »wenn ich das Gefühl habe, das Publikum hat Mitleid mit mir«, will er aufhören Dann hofft er, dass ihm seine Ehefrau – er ist zum vierten Mal verheiratet – das auch sagt. Seine Lebensbilanz? »Viel Glück gehabt, einige Sachen falsch gemacht, aber im Ganzen zufrieden.«

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