Christian Wulff auf Russland-Tour

Der Bundespräsident besucht auch die Provinz

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehr als vier Tage nimmt sich Bundespräsident Christian Wulff Zeit für seinen Russland-Besuch, der am Montagabend auf dem Moskauer Regierungsflughafen Wnukowo-2 mit großem Empfang begann.

Russische Medien wollten sich einen Seitenhieb auf die Bundeskanzlerin nicht verkneifen. Angela Merkel trifft Präsident Dmitri Medwedjew und Premier Wladimir Putin zwar häufig, absolviert ihre Termine aber meist in wenigen Stunden. Wulff dagegen bringt nicht nur Zeit und Ehefrau Bettina mit, er hat Russland auch zum ersten Besuchsziel in seiner Eigenschaft als Bundespräsident auserkoren. Den Termin hatte allerdings schon Amtsvorgänger Horst Köhler gemacht. Dem war offenbar aufgefallen, dass der letzte Russland-Besuch eines Bundespräsidenten 2002 stattfand, und das passt schlecht zu den besonderen Beziehungen, wie sie sich beide Seiten immer wieder bescheinigen.

Gut kam hier zu Lande auch an, dass es Wulff und dessen Entourage nicht nur nach Moskau und St. Petersburg zieht, sondern auch in die Provinz. Nach Uljanowsk an der Wolga und vor allem nach Twer, ehemals Kalinin. Die Gebietshauptstadt nordwestlich von Moskau ist Partnerstadt Osnabrücks, wo Wulff geboren wurde. Und planmäßiger Halt für den Sapsan – einen von Siemens gebauten Hochgeschwindigkeitszug, der seit knapp einem Jahr auf der Strecke Moskau – St. Petersburg verkehrt. Auch Wulff wird den »Falken« – so die Übersetzung – Mittwoch um 13.00 Uhr Ortszeit besteigen. Anderthalb Waggons sind für ihn und seine Begleitung reserviert.

Zuvor hat er in Moskau ein umfangreiches Programm zu absolvieren. Es beginnt Dienstagvormittag mit einer Kranzniederlegung am Grabmal des Unbekannten Soldaten. Anschließend finden die eigentlichen Konsultationen statt: im Kreml, wo nach der offiziellen Begrüßung zunächst ein Vieraugengespräch mit Medwedjew im Roten Salon geplant ist. Später empfängt Russlands Präsident die gesamte Delegation im Katharinensaal. Danach steht ein Treffen mit Premier Wladimir Putin in dessen Amtssitz – dem Moskauer Weißen Haus – auf der Tagesordnung.

Wulff sieht seine Mission in Russland augenscheinlich vor allem darin, den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen voranzutreiben. Dazu hat er einen ansehnlichen Tross von Unternehmern mitgebracht. Denn Medwedjew hatte Merkel bei den deutsch-russischen Konsultationen im Juli in Jekaterinburg privilegierte Partnerschaft Deutschlands bei seinen Modernisierungsplänen angeboten. Um den deutschen Beitrag dazu wird es auch in einem Vortrag gehen, den Wulff am Mittwoch an der Moskauer Hochschule für Ökonomie hält. Zuvor trifft er Kyrill, den Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche.

Auf dem Besuchsprogramm für St. Petersburg, wo Wulff von Twer kommend am Mittwochabend eintrifft, stehen neben einem Treffen mit Oberbürgermeisterin Valentina Matwijenko eine Kranzniederlegung auf dem Piskarjow-Friedhof, wo die Opfer der 900-tägigen Blockade im Zweiten Weltkrieg beigesetzt sind, und ein Besuch der evangelischen Petri-Kirche.

Wulffs letzte Station ist Lenins Geburtsstadt Uljanowsk, 700 Kilometer östlich von Moskau. An Uljanowsk und an Twer zeigen deutsche Unternehmer besonderes Interesse, die beiden Städte werben während des Wulff-Besuchs denn auch ihrerseits mit aufwendigen Wirtschaftspräsentationen um die Gunst von Investoren.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.