Hip-Hop in der Tunnelröhre

Eine alte Lichtenberger Fußgängerunterführung wird zum Jugendclub umfunktioniert

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Erstmals wird jetzt in Berlin ein ehemaliger Fußgängertunnel zu einem Jugendclub ausgebaut. Er entsteht unter der viel befahrenen Kreuzung Weißenseer Weg / Ecke Herzbergstraße und soll im Dezember öffnen. Bis dahin gibt es auch für die Jugendlichen jede Menge zu tun.
Bis Dezember soll hier Clubatmosphäre einziehen.
Bis Dezember soll hier Clubatmosphäre einziehen.

Hinter dem Bauzaun geht es in die Tiefe: Eine Treppe führt in die Tunnelröhre, die vor zehn Jahren das letzte Mal als Unterführung zwischen zwei Wohngebieten diente. Jetzt wurde in den einstigen Eingangsbereich eine Decke eingezogen und Platz für ganz unterschiedliche Aktivitäten geschaffen. »Dort stellen wir Kicker- und Billardtische auf«, sagt Jens, der Leiter vom Bernhard-Bästlein-Club (BBC). Gleich dahinter befinden sich später die Küche und ein Büro des Vereins Sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg. Seit zwei Jahren betreibt dieser Freie Träger den BBC im Lichtenberger Kiez an der Herzbergstraße.

Dass der Club eine neue Stätte bekommt und in den Tunnel zieht, ist absurderweise eine Folge der Schließungspläne des Bezirks. Denn Lichtenberg hatte bereits 2007 signalisiert, den nahe gelegenen Bernhard-Bästlein-Club aus Kosten und Kapazitätsgründen aufzugeben. Doch dagegen regte sich Widerspruch, und die Tunnel-Idee wurde aktuell.

Ausgedacht hat sich die unterirdische Jugendfreizeiteinrichtung Michael Heinisch, Geschäftsführer der Sozialdiakonischen Jugendarbeit, gemeinsam mit jungen Leuten. Die nutzten die seit langem gesperrte Röhre schon für ihre Zwecke: Sie sprühten Graffiti oder zündeten Lagerfeuer.

Nun packen die Zehn- bis Zwanzigjährigen kräftig mit an, um ihren neuen Clubstandort zu sanieren. Sie haben Wände rausgerissen, werden später den Estrich selber aufbringen und die Malerarbeiten übernehmen. »Es geht schließlich nicht darum, komplett fertige Räume zu übergeben, sondern die Mädels und Jungs sollen eigene Ideen einbringen und verwirklichen«, betont Lars von der Clubleitung. Die Jugendlichen müssten merken, dass ihre Meinung zählt und sie aktiv mitbestimmen und gestalten können. Das sei in einem Wohngebiet, in dem es eine hohe Arbeitslosigkeit gebe und viele soziale Probleme, besonders wichtig, erklärt Lars. In dem Lichtenberger Stadtteil treffen die unterschiedlichsten Kulturen aufeinander: Aussiedler, Vietnamesen, Polen und Ex-Jugoslawen.

Alex, Robin und Ralf kommen oft in den BBC. »Weil hier immer etwas los ist«, sagen die Jungs. Auf jeden Fall wollen sie beim Malern im Tunnel mithelfen. Für viele ist der Club so etwas wie ihre Heimat geworden. Zwischen 50 und 100 Jugendliche besuchen die Einrichtung regelmäßig. Sie treffen sich zum Spielen und Abhängen, bekommen Nachhilfe-Unterricht oder machen zusammen Musik.

Dazu werden sie im »Tube«, das ist der neue Name für den alten BBC und die englische Bezeichnung für »Tunnelröhre«, viel bessere Bedingungen als bisher vorfinden. Sie werden ein Aufnahmestudio für Hip-Hop haben und einen Bandraum. Der meterdicke Stahlbeton sorgt für gute Abschirmung. »Klagen von Anwohnern wegen Lärmbelästigung wird es dann nicht mehr geben«, ist Lars überzeugt. Etwa 300 Quadratmeter Fläche steht im »Tube« zur Verfügung: Auch für Gruppenräume und Werkstätten. Eine Konzertbühne ist geplant, die die Jugendlichen selber bauen. Die vorhandene Treppe des nordöstlichen Tunnelzugangs soll dabei als Zuschauertribüne dienen.

Der Bezirk Lichtenberg unterstützt das »Tube«-Projekt mit 400 000 Euro. Das Geld stammt aus der Rückabwicklung eines städtebaulichen Vertrages. Noch wird mit dem Bezirk über die Nutzung der angrenzenden Außenfläche verhandelt. Michael Heinisch geht davon aus, dass dort im nächsten Jahr unter anderem ein paar Wände zum legalen Besprühen aufgestellt werden.

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