Es kam der Politiker, nicht der Wissenschaftler

Arbeitskreis Parteienforschung tagte in Berlin

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Arbeitskreis Parteienforschung rief – und die Parteienforscher kamen. Donnerstag und Freitag diskutierten die Fachleute aus ganz Deutschland am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.

Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) wurde 1951 als wissenschaftlicher Fachverband von in Forschung und Lehre tätigen Politologen mit dem Ziel gegründet, die Weiterentwicklung der Politikwissenschaft zu fördern. Somit ist es nicht verwunderlich, dass auf dem Kongress ihres Arbeitskreises Parteienforschung neben dem Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts, Manfred Güllner (referierte zu den »Volksparteien ohne Volk – Ursachen für den Niedergang von Union und SPD auf dem Wählermarkt«), und dem streitlustigen Eckhard Jesse, der sich über das Abschneiden der kleinen Parteien bei der Bundestagswahl 2009 und ihre Perspektiven äußerte, zahlreiche international renommierte Parteienforscher vertreten waren. Einer der Vorträge beschäftigte sich auch mit dem zukünftigen Weg der noch jungen Linkspartei.

Absichtsvolle Ratschläge an die LINKE

»Quo vadis? Wie die LINKE versucht, sich als Partei und für sich eine Position im Parteiensystem zu finden« hieß der Kongressbeitrag von Gero Neugebauer, der am Otto-Stammer-Zentrum für Empirische Politische Soziologie in Berlin forscht und lehrt. Neugebauer hat sich in der Fachwelt vor allem durch Publikationen über das politische System der DDR mit dem Schwerpunkt SED-Staatsapparat sowie zur Transformation der DDR in den Jahren 1989/90, zur zeitgeschichtlichen DDR-Forschung und zum ostdeutschen Parteiensystem, hier insbesondere zur PDS, einen Namen gemacht. Doch wer die Anreise zur Fachtagung auf sich nahm, um einen wissenschaftlich fundierten und mit soziologischen Argumenten gespickten Vortrag Neugebauers zu hören, wurde herb enttäuscht. Es kam der Politiker und nicht der Wissenschaftler Neugebauer. Neugebauer tritt seit Jahrzehnten als äußerst aktives SPD-Mitglied hervor, publiziert regelmäßig in der SPD-nahen Monatszeitschrift »Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte«, verfasst Studien im Auftrag der SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und hat Kurt Beck als Parteivorsitzenden beraten.

Neugebauer zeichnete das Bild einer in sich zerrissenen und zerstrittenen Partei, einem Chaotenhaufen. »Seit dem Rauswurf der SPD« aus der Bundesregierung 2009 befinde sich die LINKE trotz unerwarteter Wählerzustimmung im Westen, etwa in Nordrhein-Westfalen, in einem Dilemma, weil sie es nicht zu leisten vermöge, »ihre Stellung im Fünf-Parteiensystem zu finden«. Es reiche nicht, sich einfach nur als Fundamentalopposition zur SPD zu positionieren. Die LINKE könne hinsichtlich der nächsten Bundestagswahlen 2014 »nur etwas reißen, wenn sie der SPD etwas anbieten kann und so berechenbar wird«. Ansonsten drohe ihr die Gefahr der politischen Bedeutungslosigkeit. Wenn die LINKE sich dafür entscheide, weiterhin in ihrem eigenen Saft zu schmoren und sich gegenüber den Wählern nur als einzige wahre politische Alternative aufzuspielen, dann drohe ihr irgendwann die Gefahr, von den anderen überholt zu werden, so Neugebauer.

Es muss ja nicht gleich Michael Spreng sein

Ungefragt empfiehlt Neugebauer der LINKEN ob ihrer internen Richtungsstreitereien einen »Kommunikationsberater zu engagieren, es muss ja nicht gleich Michael Spreng« sein. Der Politikberater war unter anderem Wahlkampfchef von Edmund Stoiber gewesen. Auch wenn Neugebauer mit seinem Ratschlag nicht so ganz verkehrt liegen sollte und ungeachtet der Annahme, dass wohl auch ein PR-Profi die Flügelkämpfe innerhalb der Partei nicht kaschieren könnte, handelte es sich bei Neugebauer Ausführungen um politische Äußerungen, die im Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit daherkamen. Von ND darauf angesprochen, entgegnete Neugebauer: »Muss ich denn immer etwas Wissenschaftliches sagen, auch wenn es eine Wissenschaftskonferenz ist?«

Auch von anderen Tagungsbesuchern wurde sein Referat als »flapsig« bezeichnet. Neugebauer habe sich »nicht wirklich mit den parteiinternen Strömungen auseinandergesetzt«, wurde Neugebauer von einem Kollegen kritisiert. Man müsse jedoch erst untersuche, wie stark die einzelnen Strömungen der Partei sind, wie mitgliederstark und wie einflussreich, um Aussagen über den angeblichen Chaotenhaufen treffen zu können.

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