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Thüringen: Linke mit neuem Führungsduo
Aufstand der Basis gegen Ämterhäufung: An der Spitze der Thüringer Linken gibt es jetzt zwei neue Gesichter
Es war eine kleine Rebellion der Basis gegen den bisherigen Landesvorstand: Auf einem Parteitag in Ilmenau hat eine Mehrheit der Delegierten am Samstag verhindert, dass sich der bisherige Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Christian Schaft, erneut um das Amt als Landesvorsitzender seiner Partei im Freistaat bewerben durfte.
Schaft hatte beide Ämter seit 2024 parallel ausgeübt. Nur etwa 41,5 Prozent der Delegierten stimmten einem Antrag zu, die Satzung so zu ändern, dass eine weitere Kandidatur Schafts möglich geworden wäre. Um das Regelwerk entsprechend zu ändern, wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen.
Daraufhin entwickelte sich eine unerwartete Dynamik, die zur Wahl gleich zwei neuer Landesvorsitzender führte: Die Delegierten votierten für die Landtagsabgeordnete Katja Maurer und den ehemaligen Landtagsabgeordneten Ralf Plötner. Maurer kam auf 91,5 Prozent der abgegebenen Stimmen, 107 von 117 Delegierten entschieden sich für sie. Für Plötner stimmten 95 Delegierte (81,9 Prozent).
Schaft hatte in der Vergangenheit angekündigt, Fraktionsvorsitzender der Linken im Landtag bleiben zu wollen und dafür das Amt als Parteichef aufzugeben. Er hatte die Thüringer Linke seit 2021 gemeinsam mit der Landtagsabgeordneten Ulrike Grosse-Röthig geführt. Vor Kurzem hatte er dann allerdings einigermaßen überraschend erklärt, doch Teil der Landesspitze bleiben zu wollen. Nach der geltenden Satzung der Partei ist das allerdings nicht möglich. Dort ist festgeschrieben, dass der Parteivorsitzende grundsätzlich nicht zugleich Fraktionschef sein darf.
In Ilmenau waren deshalb mehrere Anträge beraten worden, mit denen die Satzung so geändert werden sollte, dass eine erneute Kandidatur Schafts möglich geworden wäre. In der entscheidenden Schlussabstimmung über diese Anträge wurde die nötige Zweidrittelmehrheit dann aber eben deutlich verfehlt.
Nachdem der Parteitag wegen dieser Entscheidung für eine Stunde unterbrochen worden war, zog dann Grosse-Röthig ihre geplante erneute Kandidatur als Landesvorsitzende zurück. Sie und Schaft seien als Team angetreten. »Niemals allein, immer gemeinsam, das gilt auch in diesem Fall«, sagte sie zur Begründung.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung über den Antrag zur Satzungsänderung wirkte Schaft völlig überrascht. Kurz darauf sagte er: »Ich verstehe diese Grundsatzentscheidung, das habe ich immer gesagt und ich stehe der Partei weiter als Fraktionsvorsitzender zur Verfügung.«
Schon in der Debatte über das Ansinnen, die Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz zumindest vorübergehend aufzuheben, hatten kritische Äußerungen zu diesem Vorhaben auffallend viel Applaus gefunden. »Ich habe da ein ganz schlechtes Gefühl«, sagte eine Delegierte beispielsweise. Es gehöre zur DNA der Linken in Thüringen, nicht zu viel Macht in den Händen einzelner Personen zu konzentrieren.
Ein Genosse äußerte, er könne sich nicht vorstellen, wie jemand zwei zeitlich so fordernde Ämter parallel ausüben könne. Zugleich betonten fast alle Kritiker, ihre Ablehnung des Antrags habe nichts mit der Person Schaft zu tun. Es gehe dabei um grundsätzliche Überlegungen, hieß es immer wieder.
So fest zur DNA der Thüringer Linken wie manche der Delegierten es darzustellen versuchten, gehört die Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz allerdings nicht. Die entsprechende Regelung war erst 2021 in die Satzung aufgenommen worden. Zuvor hatte die Linke Susanne Hennig-Wellsow sowohl die Landespartei als auch die Erfurter Fraktion geführt. Beide Ämter hatte sie von 2014 bis 2021 inne. Das hatte schon damals immer wieder zu innerparteilichen Debatten geführt.
Katja Maurer ist derzeit stellvertretende Vorsitzende der Linke-Landtagsfraktion und deren sozialpolitische Sprecherin. Ihr Amt im Fraktionsvorstand wolle sie nun abgeben, kündigte die 34-Jährige nach ihrer Wahl an. Sie hatte zwischen 2014 und 2019 als Mitarbeiterin von Hennig-Wellsow gearbeitet, seit 2019 ist sie Abgeordnete im Parlament in Erfurt. Geboren wurden sie in Kasachstan. In ihrer Bewerbungsrede nahm sie auf ihre Herkunft unmittelbar Bezug. »Nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass ich eine politische Stimme in diesem Land sein könnte, nie.«
Plötner saß von 2019 bis 2024 im Thüringer Landtag und war gesundheitspolitischer Sprecher der Linke-Fraktion. Der 42-Jährige ist gelernter Krankenpfleger und Politikwissenschaftler und lebt in Altenburg, wo er sich seit Langem auch kommunalpolitisch engagiert.
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