Der Geist des Gestern

In die Deutsche Oper laden bis Februar »Malakhov & Friends«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Gala-Gefühl mochte sich nicht so recht einstellen. Obwohl »Malakhov & Friends« drei Stunden dauerte, vor ausverkaufter Deutscher Oper stattfand und 15 Beiträge von neun Paaren und zwei Solisten zeigte. Aus Russland, Japan, den USA kamen auf Einladung des Spiritus rector Vladimir Malakhov die Gäste. Einer, Noah Gelber, konnte nicht. So fiel aus, was er im Forsythe-Stil zum Wohle des Abends eingebracht hätte. Über Gebühr dominierte ältliche Klassik, hoch rangierten daher in der Publikumsgunst die modernen Einsprengsel. Dass es bei der Premiere Probleme mit dem Licht gab, das hauseigene Orchester unter Paul Connally nicht seine Sternstunde hatte, kommt dazu. Dass der Teil nach der Pause atmosphärisch sehr ähnlich getönte Werke enthielt, ist dramaturgisch ungeschickt, mag dem Ausfall eines Tänzers geschuldet sein. Schwerer wiegt die differente Qualität in Choreografie und Ausführung.

Fröhliche Pas de deux aus Balletten von Marius Petipa, getanzt von Solisten des Staatsballetts Berlin, eröffneten beide Teile. Wusste sich Marian Walter in »Rast der Kavallerie«, einer Husaren-Humoreske von 1896 aus dem Petersburger Repertoire, als tänzerischer Strahlemann zu präsentieren, so kippte Sebnem Gülseker, nach gut servierter Variation, in der Coda von der Spitze und war auf Drehhilfe ihres Husaren angewiesen. Deutlich mehr Glück hatten Iana Salenko und Rainer Krenstetter im Flirt als Colombine und Harlekin aus der »Harlekinade« von 1900. Wie brillant beide ihre Finessen bewältigten, er mit frischem Spiel im Commedia-Stil und hohem Sprung, sie mit feurigem Pirouetten-Zauber im Schlussteil, blies dem Kleinod zaristischen Entertainments den Staub aus den Kostümfalten.

Petipa-Operette auch am Ende von Teil eins: Dem »Satanella«-Duett aus »Karneval in Venedig« von 1859 liehen Dinu Tamazlacaru und vom Petersburger Mariinsky-Ballett Petersburg Yevgenia Obraztsova den Glanz makelloser Perfektion. »Mein Hut, der hat drei Ecken«, sang man damals zu jenen Themen von Paganini, die Komponist Pugni im Pas de deux variiert hat.

Publikumslieblinge wurden weitere Solisten des Staatsballetts. In »Intimate Distance« von Jirí Bubenícek zur Collage seines Bruders Otto gestalteten prägnant Beatrice Knop und Dmitry Semionov vor glutrotem Hintergrund Liebe und Hölle einer Beziehung, logisch sich entwickelnd, mit finalem Sturz aus dem Kuss. Dmitrys Schwester Polina adelte mit fehlerfreiem Handwerk und bestechender Persönlichkeit ein mehrteiliges Solo von Renato Zanella nach Walzern von Strauß' Sohn zum Juwel des Abends. Den Bogen von Humor zu Tragik schlugen Elisa Carrillo und Mikhail Kaniskin: Ihr »Carmen«- Duo »Showtime« von Eric Gauthier wechselt von Probe zu Vorstellung und endet mit gegenseitigem Abmurksen. Der Ansturm der Gala-Gäste richtete weniger Schaden an.

Als glänzende Tänzer wussten sich Natalia Ledovskaya und Semen Chudin einzuführen, wiewohl ihr »Ball der Geister« zum Mittelsatz aus Chopins Klavierkonzert Nr. 2 in Dimitri Brianzevs Ausformung eher den Geist von gestern atmete. Ihrem Adagio aus Tom Schillings »Abendlichen Tänzen«, vor Dezennien am Moskauer Stanislawski-Nemirowitsch-Dantschenko-Theater einstudiert, fehlte ebenso das tiefere Verständnis wie Julie Kent vom American Ballet Theatre und Wieslaw Dudek im Duo zu Uwe Scholz’ Mozart-Klavierkonzert. Blass blieben in beiden Beiträgen auch Mizuka Ueno und Naoki Takagishi vom Tokyo Ballet.

Hatte Gastgeber Vladimir Malakhov mit dem Finalsolo »Der sterbende Schwan« aufs richtige »Pferd« gesetzt, konnte er, gesundheitlich angeschlagen, weder in »Manon« mit Julie Kent noch im Pas de deux aus »Le parc« mit einer hingebungsvollen Nadja Saidakova überzeugen. Er wird sich überlegen müssen, wie den »Friends« zukünftig der »Malakhov« künstlerisch nicht mehr und mehr abhanden kommt.

Wieder 12.-14. und 18.11., Deutsche Oper, Bismarckstr., Charlottenburg, Kartentelefon 206 09 26 30, Infos unter www.staatsballett-berlin.de

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