Fehl-START auf dem NATO-Gipfel

Obama mit schlechtem Abrüstungsomen

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Irgendwie sollte es zumindest nach Ansicht von Bundesaußenminister Westerwelle auch ein »Abrüstungsgipfel« der NATO werden. Doch USA-Präsident Obama kam mit schlechten Nachrichten nach Lissabon.

»Mutige Schritte« für mehr nukleare Abrüstung erwartete Außenminister Guido Westerwelle vom NATO-Gipfel, und er sei zuversichtlich, dass dies auch in der Abschlusserklärung zum Ausdruck komme, sagte er am Freitag vor seinem Abflug nach Lissabon. Aber selbst um vage Formulierungen wurde bis zur letzten Minute gestritten. So einigten sich die Regierungen in Paris und in Berlin erst kurz vor Gipfelbeginn auf einen Kompromiss.

Demnach verzichtet die Atommacht Frankreich, die auf den uneingeschränkten Zugriff auf ihre Arsenale pocht, darauf, die geplante Raketenabwehr der NATO nur »komplementär«, also ergänzend, zur atomaren Abschreckung einzustufen. Allerdings darf dafür auch nicht der von Deutschland gewünschte Hinweis auf neue Abrüstungschancen direkt mit diesem Kernprojekt der künftigen Paktstrategie verbunden werden. Diese Passage werde davon getrennt festgeschrieben, hieß es, wobei darauf hingewiesen werden soll, dass Abrüstung nur »gleichmäßig« und »gleichgewichtig« möglich sei.

Der START-Vertrag zwischen den USA und Russland über die Reduzierung der strategischen Offensivwaffen wäre dafür ein gutes Beispiel. Die Präsidenten Obama und Medwedjew hatten das Abkommen im April in Prag unterzeichnet. Es sieht vor, die Zahl der nuklearen Sprengköpfe innerhalb der nächsten sieben Jahre von je 2200 auf 1550 zu reduzieren. Der Vertrag löst damit eine frühere Vereinbarung aus dem Jahr 1991 ab, die Ende vergangenen Jahres abgelaufen war.

Ratifiziert aber ist er weiter nicht. Selbst die 37 protestantischen und orthodoxen Mitgliedskirchen des Nationalen Kirchenrates der USA haben den Senat in Washington gestern aufgerufen, dieses »hochwichtige« Abrüstungsabkommen noch in diesem Jahr in Kraft zu setzen. Aber auch wenn Gott mit Obama ist, die Republikaner im Kongress bremsen das Ratifizierungsverfahren und blockieren den Präsidenten nun auch außenpolitisch. Was in Moskau wie beim NATO-Gipfel in Lissabon für Irritationen sorgte. So vorgeführt, beschwor Obama fast schon flehend, die START-Ratifizierung dürfe nicht zum skrupellosen, parteipolitischen Spiel verkommen. Schließlich gehe es hier um die »nationale Sicherheit«.

Wie durchsetzungsfähig ist der vermeintlich mächtigste Mann der Welt noch, wie berechenbar die Führungsmacht des größten Militärpaktes, fragten sich da selbst die Bündnispartner. Schließlich geht es nicht allein um den Abbau Tausender Atomwaffen, der START-Vertrag sollte auch zu einem Neuanfang der US-amerikanischen Außenpolitik werden – mit Blick auf die von Obama versprochen Abrüstung und auf eine neue Etappe der Beziehungen zu Russland, die in der künftigen NATO-Strategie festgeschrieben werden soll. Das wäre auch Voraussetzung, um Moskau in das geplante Raketenabwehrsystem der Allianz einzubeziehen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen versuchte gestern noch einmal, das Projekt als »wichtigen Schritt« hin zu einer »gemeinsamen euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur« zu verkaufen. Die allerdings wie der Nordatlantik-Pakt weiterhin auf Atomwaffen fußen würde. »So lange diese Waffen noch existieren, sollte die NATO eine nukleare Allianz bleiben«, meinte Obama zum Gipfelbeginn in einem Zeitungsbeitrag und scheint mit der neuen NATO-Strategie auch Abschied von der eigenen Vision einer atomwaffenfreien Welt zu nehmen.

Siehe auch: No-to-NATO-Webseite, u.a. mit Live-Streams zu bestimmten Zeiten

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal