Polizisten gegen Polizisten

Schwere Vorwürfe gegen hessische Staatsschützer / Was wusste Bouffier?

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Im vorweihnachtlichen Wiesbaden kursieren Meldungen über Mobbing, Druck und Repressalien gegen unliebsame Polizeibeamte. Ein Betroffener berichtet, sein Vorgesetzter habe ihm mit der Überweisung zum Psychiater gedroht. Zu jener Zeit war der jetzige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) Innenminister.

Die hessischen Oppositionsparteien schlagen Alarm. Möglicherweise wurden in ihrem Bundesland nicht nur gewissenhafte Steuerfahnder gemobbt und per Gefälligkeitsgutachten vom aktiven Dienst entfernt. Derzeit beschäftigen Aussagen über ähnliche Vorgänge bei der Polizei Parlament, Medien und Öffentlichkeit.

Nach den neuesten Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters des Zentralen Polizeipsychologischen Dienstes der hessischen Polizei (ZPD) übte die Polizeiführung Druck auf Gutachter aus und veranlasste offenbar auch die Bespitzelung unliebsamer Beamter. Zuvor waren bereits Klagen hessischer Polizisten gegen die Behandlung durch Vorgesetzte bekannt geworden. Beamten seien wegen »negativer Bewertungen« die Dienstwaffe weggenommen und die Einsicht in ihre Personalakte verweigert worden. Einem Oberkommissar habe man mit einer Überweisung zum Psychiater gedroht. Er habe befürchten müssen, als »Querulant« oder »paranoid« abgestempelt zu werden, so der Betroffene. Andere waren unerwartet zum ZPD zitiert worden, weil man sie als »dienstunfähig« aus dem Polizeidienst entfernen wollte.

Viele Polizeibeamte misstrauten dem ZPD mittlerweile, berichtete die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser. Selbst nach schlimmen traumatischen Einsatzerfahrungen suchten sie lieber anderswo psychologische Hilfe.

Bei einer Pressekonferenz der hessischen Linksfraktion kritisierte der in den Ruhestand versetzte Polizeioberkommissar a. D. Dirk Lau-er die Aussage von Innenminister Boris Rhein (CDU), wonach es sich bei dieser Affäre »nur um 10 bis 15 Fälle« und »immer die gleichen« handele. Lauer, der sich nach eigenen negativen Erfahrungen der vollständigen Aufarbeitung der Skandale verschrieben hat, sagte: »Es haben sich allein bis heute mehr als 70 hessische Polizeibeamte bei mir gemeldet. Ich habe die Unterlagen geprüft und halte deren Vorwürfe für berechtigt.« Der Ex-Polizist knüpft über die von ihm eingerichtete Website www.behoerdenstress.de Kontakt mit Betroffenen und spricht von einer hohen Dunkelziffer.

»Wie können die Vorwürfe aufgeklärt werden, wenn die Führungsspitze der Polizei einschließlich des ehemaligen Innenministers Volker Bouffier involviert ist?«, fragt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Hermann Schaus. Bouffier war bis zu seiner Wahl zum Regierungschef Anfang September 2010 über elf Jahre lang Innenminister im Kabinett von Roland Koch (CDU). Schon bei einer Sitzung des Landtagsinnenausschusses 2009 hatte Bouffier die von einem Polizeipsychologen erhobenen Vorwürfe von sich gewiesen. »Hat Bouffier gelogen oder hatte er keine Ahnung, was auf der Führungsebene seiner Polizei läuft?«, will Schaus wissen und nächste Woche einen dringlichen Berichtsantrag, der detaillierte Fragen auflistet, im Innenausschuss auf die Tagesordnung setzen.

»Die Vorfälle bei der Polizei lassen System erahnen«, mutmaßte auch die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten in der Polizei (SiP). Während die Beamten ihre Pflicht täten, ergingen sich einzelne Führungskräfte in Ränkespielchen und der Sicherung des Machterhalts, heißt es in einer Stellungnahme. Das Entfernen einzelner Führungspersonen verändere jedoch noch nicht das System, erklärt die SiP in Anspielung darauf, dass Rhein Anfang November den bisherigen hessischen Polizeipräsidenten Norbert Nedela entlassen hat. Als Grund wurden »Differenzen in Fragen der Führung der hessischen Polizei« genannt. Durch diesen Rauswurf »seien nur die Zweiten nach oben gerückt, bei denen man sich frage, ob sie nicht dabei gewesen seien, nichts gemerkt hätten – oder schwiegen«, kritisiert die SiP.

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