Mit Nadel und Farbe

Die 20. Tattoo Convention in Tempelhof

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Nadel und Farbe

Es riecht ein bisschen nach Bratwurst und starkem Desinfektionsmittel, ein konstantes Summen aus allen Richtungen durchdringt die Geräuschkulisse von Stimmengewirr und Musikfetzen: Die 20. Tattoo Convention fand am Wochenende im ehemaligen Flughafen Tempelhof statt. Fünf Straßen und diverse Plätze, benannt nach einstigen Größen der Szene, sind im Hangar sechs und sieben aufgebaut, an über 250 Ständen stellen Künstler ihre Arbeit, Hersteller ihre neueste Technik zur Schau.

Die Tattoo Convention ist nach eigenen Angaben die nach Ausstellern zweitgrößte Messe ihrer Art in Deutschland – größer ist sie nur in Frankfurt am Main. Zum 20-jährigen Jubiläum wird sie zum ersten Mal in Tempelhof ausgerichtet.

Nahezu von der ersten Minute an sind die Aussteller am Werk, denn wer hier her kommt, will nicht nur in Skizzenbüchern blättern oder der Wahl zur diesjährigen Tattoo Queen beiwohnen. Von den erwarteten 15 000 Besuchern nutzen nicht wenige die Tatsache, dass internationale Künstler mitsamt Nadel und Farbe anreisen.

Die Convention ist allerdings nicht nur Anlaufpunkt für alle jene, die sich zwischen Tattoo Contest und Aussteller über die Körperkunst anderer informieren wollen. Ihren Ruf hat sie auch als internationale Fachmesse ausbauen können. An allen drei Tagen finden Seminare und Workshops statt, die beispielsweise im schwarz-grau Tattoo oder in Sachen Porträts weiterbilden. Ebenfalls jeden Tag treffen sich jeweils drei Künstler zur Art Fusion auf der Bühne. Eine Stunde lang haben sie Zeit, an drei Leinwänden je ein gemeinsames Werk zu schaffen. Alle vier Minuten wird gewechselt. Am Samstag teilen sich Körperkünstler aus Schweden, Russland und Berlin die drei Leinwände. Die Werke werden anschließend versteigert, der Erlös geht an das Kinderhilfswerk Arche in Berlin.

Unter den Besuchern sind alle Altersklassen vertreten, auch der Nachwuchs wird im Kinderwagen durch die Gänge geschoben – beziehungsweise im Messe-eigenen Kindergarten betreut. Sicher überwiegt im Publikum der Anteil derer, deren Haut bereits Bild oder Bilder zieren. Doch wer sich inspirieren lassen will, ist hier an der richtigen Adresse. Egal ob Porträt, Rückendeckende Drachen oder Biomechanik, ob individuelle Freihandzeichnung oder Kopie von mitgebrachten Fotos oder Vorlagen: Szenegrößen und Tätowierer aus aller Welt haben ihr Werkzeug mitgebracht.

Laut einer Umfrage der Universität Leipzig ist jeder vierte Deutsche zwischen 20 und 30 tätowiert. Und seit die Modewelle das letzte Tribal auf einen unteren Rücken gespült hat, sind Tattoos gemeinhin auch wieder mehr als stereotypisierender Körperschmuck. »Das Arschgeweih ist definitiv out«, sagt Pressesprecher Michael Lichtenberg. »Aber einem guten Künstler fällt etwas Neues ein, was er daraus zaubern kann.«

Ob beim Zeichnen auf der Bühne (o.), der sogenannten Art-Fusion, oder bei der Arbeit am leben Objekt – bei der Tattoo Convention in Tempelhof zeigten Meister ihres Fachs ihr Können.
Ob beim Zeichnen auf der Bühne (o.), der sogenannten Art-Fusion, oder bei der Arbeit am leben Objekt – bei der Tattoo Convention in Tempelhof zeigten Meister ihres Fachs ihr Können.
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