Afrobeat gegen Korruption

Der nigerianische Musiker Femi Kuti gibt morgen ein Konzert in der Kulturbrauerei

  • Lesedauer: 4 Min.
Femi Kuti ist der Statthalter des Afrobeat in Nigeria. Der 48-Jährige ist in die Fußstapfen seines Vaters Fela Kuti getreten und gilt als einer der größten Kritiker der Regierung in Lagos. Korruption und Missmanagement hat er immer wieder in seinen Stücken angeprangert. Morgen spielt er in der Kulturbrauerei.
Fermi Kuti in Lagos, 2009
Fermi Kuti in Lagos, 2009

ND: Gibt es den »African Shrine«, den Musikclub Ihres Vaters, noch und stehen Sie da auf der Bühne?
Femi Kuti: Ja, es gibt ihn noch. Beziehungsweise wieder, denn meine Schwester Yeni und ich haben ihn drei Jahre nach dem Tod meines Vaters Fela wieder aufgemacht. Dort stehe ich mit meiner Band »The Positive Force« zweimal in der Woche auf der Bühne – donnerstags und sonntags.

Auf Ihrer neuen Platte »Africa for Africa« nehmen Sie die Regierung wieder einmal ins Visier, kritisieren Korruption und Missmanagement in Nigeria und darüber hinaus. Hat sich in Nigeria nichts geändert?
Die Erfolge des demokratischen Wandels sind kaum fühlbar. Einzig für die Investoren ist die Situation von Vorteil, denn sie können ihren Geschäften in einer vermeintlichen Demokratie in Ruhe nachgehen. Für die Bevölkerung ist alles beim alten, denn sie haben auch 50 Jahre nach der Unabhängigkeit kein funktionierendes Gesundheits- und Bildungssystem und auch das Stromnetz lässt uns immer wieder im Stich. Das Gleiche gilt für das Straßennetz. Als Politiker kannst du in Nigeria gutes Geld machen, als normaler Nigerianer bist du hingegen nur latent genervt und frustriert.

Sie kämpfen seit dreißig Jahren gegen Selbstbedienung und für Selbstbestimmung. Wie kommen Sie mit dem Frust klar?
Natürlich ist das auch frustrierend, aber ich kenne schließlich auch die Hintergründe. Wir leiden unter fünfhundert Jahren der Sklaverei, diese ganze Geschichte ist nicht aufgearbeitet und es gibt keinerlei Bewusstsein für den Stellenwert dieser Geschichte. Ich als Musiker leiste meinen Beitrag, um an einem Wandel mitzuarbeiten.

Das kann man auch hören, denn sie mahnen die Afrikaner im Titelstück des neuen Albums ihr Schicksal in die eigenen Händen zu nehmen.
Wir müssen lernen, unseren eigenen Kontinent zu lieben, begreifen, dass wir Brüder und Schwestern sind und etwas erreichen, etwas aufbauen können. Es fehlt doch nicht an Rohstoffen, es fehlt an Willen und Visionen.

Es ist hart zu sehen, was in Kongo, was in Somalia passiert – man muss aktiv werden. Wir Afrikaner müssen uns bewegen und dabei brauchen wir Unterstützung, aber auch mehr Zivilgesellschaft, mehr Engagement.

Stücke wie »You can't buy me« (Du kannst mich nicht kaufen) nehmen Bezug auf ein wesentliches Problem, die Korruption. Welches sind die anderen?
Es fehlt an Ausbildung, um die Zukunft zu gestalten, am politischen Willen, um den Wandel zugunsten der Menschen einzuleiten.

Musikalisch scheinen Sie sich auf die Essenz des Afrobeat zurückzuziehen. Rap- und Elektroelemente sind verschwunden, Orgel und Bläsersätze deutlich dominanter. Wie kam es dazu?
Nach »Day by Day« (dem letzten Album) stellte sich die Frage »und nun«? Was können, wollen wir machen? Nach den letzten Alben, bei denen wir uns stärker mit Hip-Hop und Electro beschäftigt haben, war das Bedürfnis, wieder zurück zu den Wurzeln zu gehen, einfach da. Wir haben den Afrobeat in seiner Ursprungsform für uns wiederentdeckt, sind zur Basis zurückgegangen.

Wie ist das Album in Nigeria angekommen?
Bei den Konzerten im »African Shrine« sehr gut. Den Leuten gefällt es, bei den Regierenden wird das nicht der Fall sein, aber das ist ja nun nichts Neues.

Sie nehmen immer wieder Bezug auf Vorbilder – auf Malcom X, auf Patrice Lumumba, auf ihren Vater – warum?
Für mich sind das Symbolfiguren für einen anderen Weg und ich hoffe damit auch den Leuten in Nigeria und darüber hinaus einen anderen Weg aufzuzeigen.

Sind Sie als ausgewiesener Regierungskritiker in Nigeria in Gefahr oder kann die Regierung mit Kritik leben?
Ich bin vorsichtig, konsumiere keine Drogen, lasse mir nichts zu Schulden kommen und gehe meiner Arbeit als Musiker und Komponist nach. Ich liebe das, was ich tue, und ich will meinen Beitrag leisten, kritisieren, was ist, und auch Alternativen für die Zukunft aufzeigen. Das bin ich meinem Land und meinem Kontinent schuldig.

Interview: Knut Henkel

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