Wikileaks lockt seine Jäger ins Labyrinth

US-Dokumente über kritische Infrastrukturen veröffentlicht – auch deutsche Firmen aufgelistet

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Obwohl die staatlich gelenkten Angriffe gegen die Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks zunehmen, kommen permanent weitere Dokumente aus dem US-Außenministerium in die Öffentlichkeit. Nun geht es um eine geheime Liste von Infrastrukturen in aller Welt, darunter auch deutsche, die angeblich wichtig sind für die nationale Sicherheit der USA.

In einer Mitteilung des Washingtoner Außenministeriums vom Februar 2009 werden die US-Botschaften weltweit aufgefordert, Orte oder Infrastrukturen aufzulisten, »deren Verlust entscheidende Folgen für die öffentliche Gesundheit, die wirtschaftliche Sicherheit und/oder die nationale und innere Sicherheit der USA« haben würde. Genannt werden hunderte Pipelines und wichtige Datenkabel, aber auch Firmen, deren Produktion bedeutend für die USA sei.

In der Liste finden sich mehr als ein Dutzend deutsche Unternehmen, so das BASF-Stammwerk in Ludwigshafen, das als »weltgrößter zusammenhängender Chemie- Komplex« vermerkt ist. Auch Firmen wie Siemens als wichtiger Hersteller von Transformatoren und Turbinen zur Stromgewinnung aus Wasserkraft, die Lübecker Drägerwerk AG (Gasmesstechnik), Junghans Feinwerktechnik im baden-württembergischen Schramberg sowie diverse pharmazeutische und medizintechnische Unternehmen in Hameln, Dessau-Roßlau, Dreieich, Marburg oder Ravensburg sind genannt. Auf der Liste stehen das ostfriesische Norden und die Nordseeinsel Sylt als Anlandepunkte für die transatlantischen Unterseekabel TAT-14 und AC-1 zur Datenübertragung zwischen Europa und den USA.

Das von Wikileaks veröffentlichte US-Dokument macht erstmals öffentlich, wie weitgehend Washington ausländische Firmen und Einrichtungen für die eigene Sicherheit in Beschlag nimmt. Seit dem Ende des Kalten Krieges wurden kritische Infrastrukturen nicht mehr so besorgt bewertet.

Gleichfalls politisch brisant sind Einschätzungen zum Afghanistan-Krieg. »Niemand in Europa glaubt mehr an Afghanistan«, sagte der damalige belgische Regierungschef Herman van Rompuy am 4. Januar dieses Jahres gegenüber dem US-Botschafter in Belgien. Die EU-Truppen bleiben in Afghanistan »aus Respekt den Amerikanern gegenüber noch 2010«. Die europäischen Verbündeten wollten aber »Ende 2010 Ergebnisse sehen«, das sei »die letzte Chance«, betonte van Rompuy, der heute EU-Ratspräsident ist.

Unterdessen kündigte der mit Interpol-Haftbefehl gesuchte Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange die Veröffentlichungen von Dokumenten über Russland an.

Wikileaks wurden rund 250 000 Depeschen von US-Botschaften zugespielt, die seit gut einer Woche nach und nach ins Internet kommen. Bis zum Wochenende wurden erst rund 800 Dokumente vorgestellt. Die USA versuchen mit allen Mitteln, das Datenleck zu schließen. So löschte der Anbieter Everydns.net die Hauptadresse Wikileaks.org von seinen Servern, die Übersiedlung auf eine Schweizer Webseite brachte nur kurzen Erfolg. Denn wieder war der Anbieter eine US-Internetfirma.

Genützt hat das alles nichts. Es gibt mittlerweile dutzende Enthüllungsseiten – alle auf aktuellem Stand. Daneben existieren hunderte »Mirrors« (Spiegelungen), die von Wikileaks-Sympathisanten betrieben werden. Am »Mirroring« hatte sich der größte US-Geheimdienst NSA schon vor rund zehn Jahren die Zähne ausgebissen, als es um die Veröffentlichung eines Verschlüsselungsprogramms ging.

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