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Lernziel Kapitalist

Erstes Branchenbuch der Schülerfirmen mit 50 Einträgen vorgelegt / Bildungsminister ist Aktionär

Es gibt unter den mehr als 100 Schülerfirmen in Brandenburg etliche, die Pausenbrote schmieren. Doch damit nicht genug. Andere kümmern sich um die Versorgung mit Milch, betätigen sich als Imkerei oder organisieren Nachhilfe. Gestern lieferte eine Druckerei 500 Exemplare des ersten Branchenbuches, in dem 50 märkische Schülerfirmen verzeichnet sind.

Dabei geht es nicht etwa darum, außerhalb der Schulen neue Kundenkreise zu erschließen. Denn Wachstum ist bei Schülerfirmen im Prinzip nicht vorgesehen. Sie sollen unter der Grenze von 30 000 Euro Umsatz beziehungsweise 3850 Euro Gewinn im Jahr bleiben. Dann müssen sie keine Steuern entrichten und das Risiko bleibt überschaubar. Theoretisch ist eine Pleite denkbar. Praktisch sei es jedoch noch nie vorgekommen, heißt es. Noch nie habe eine Schülerfirma wegen Zahlungsunfähigkeit aufgeben müssen, sondern immer nur, weil Schulen geschlossen worden sind. Einerseits müssten die Schüler bei einer Insolvenz nicht haften, andererseits sollen sie richtigen Wirtschaftsunternehmen keine echte Konkurrenz machen. Expansion gilt nicht als Unternehmensziel. Die Schüler sollen in den Firmen lediglich etwas lernen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich in einem Branchenbuch selbst darzustellen, dafür vernünftige Fotos und ein Logo abzuliefern.

»Wir brauchen Leute, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – auch als Unternehmer«, sagt Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE). Wer bei einer Schülerfirma mitmache, verbessere seine Chancen bei späteren Bewerbungen. Es gibt eine Art Zertifikat, das zu den Bewerbungsunterlagen gelegt werden kann. Auf den Vorschlag, die Zertifikate durch eigenhändige Unterschriften des Wirtschaftsministers und des Bildungsministers aufzuwerten, reagiert Christoffers schmunzelnd: »Wir nehmen die Anregung auf.«

Die Idee der Schülerfirmen sei in den USA aufgekommen, erinnert der Wirtschaftsminister. Von dort sei die Welle in den 1980er Jahren in die Bundesrepublik herübergeschwappt. Nach der deutschen Einheit etablierten sich Schülerfirmen auch in Brandenburg. Gemessen an der Bevölkerungszahl stehe das Bundesland gut da, versichert Christoffers. So gebe es in Baden-Württemberg 186 Schülerfirmen, in Sachsen-Anhalt 100.

Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) nennt bei den Lernzielen als Stichworte: Unternehmensphilosophie, Kundenbindung, Produktqualität, Rechnen oder zum Beispiel Arbeitsschutz. Zu erlernen sei auch, dass Erfolg und Misserfolg in der Wirtschaft oft nahe beieinander liegen und dass Erfolg nur durch »Fleiß und harte Arbeit« zu erzielen sei. Die Mitarbeit in einer Schülerfirma sei optimal geeignet zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung, meint Rupprecht. Er verrät, persönlich Aktionär von drei Schülerfirmen zu sein. Scherzhaft bemerkt der Bildungsminister, um seinen Ruhestand mache er sich überhaupt keine Sorgen. Der sei gesichert. »Die Aktien laufen super.«

Anteile hält Rupprecht unter anderem an der Medien & Büro Schüler-Aktiengesellschaft. Diese besteht seit dem Jahr 2007 an der Potsdamer Lenné-Gesamtschule. Die Firma vertreibt Büromaterial, gestaltet Webseiten und Speisekarten, repariert Computer vor allem für Mitschüler und Lehrer. Es gibt allerdings auch andere Kunden. So bestellt die Stadtverwaltung immer wieder größere Mengen Kopierpapier. Warum die Stadtverwaltung bei der Schülerfirma einkauft, weiß der 17-jährige Daniel Krieg nicht so genau. »Vielleicht, weil wir so preiswert sind?«, vermutet er. Die Gewinnspanne pro Büroartikel liege nur bei fünf bis zehn Cent.

Ein wenig Gewinn wirft die Medien & Büro Schüler-Aktiengesellschaft trotzdem ab. Es gibt allerdings kein monatliches Gehalt. Die derzeit 16 Mitarbeiter gehen aber ab und zu mal gemeinsam Essen, ins Kino oder ins Kabarett. Das eingekaufte Büromaterial lagert die Firma in einem Raum in der Lenné-Schule zwischen. In dem »Kabuff« wird auch gearbeitet, und wenn die Pausenzeiten nicht ausreichen, geht es nachmittags und abends daheim weiter, bestätigt Krieg.

Regelmäßig werden Stellen in der Firma frei, wenn Mitarbeiter die Schule abschließen. Nachwuchssorgen gibt es deswegen nicht. Im Gegenteil, man müsse sogar immer wieder einige Interessenten abweisen, erzählt Krieg. Er habe in der Schülerfirma gelernt, zu überlegen, wofür man sein Geld ausgibt, wo man investiert. Unternehmer will er nach dem Abitur allerdings nicht werden. Er möchte stattdessen bei der Berufsfeuerwehr anfangen.

www.servicestelle-schuelerfirmen.de

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