Thüringer Aufständchen

Große Koalition diszipliniert Bürgermeister

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die meisten Bürgermeister in Thüringen sind sich wohl einig: Die finanzielle Situation der Kommunen ist miserabel. Doch die Mehrheit der Bürgermeister gehört auch den Regierungsparteien CDU und SPD an.

Der angekündigte öffentliche Bürgermeisterprotest am Dienstag vor dem Thüringer Landtag gegen die schlechte Situation bei den Kommunalfinanzen fiel bescheidener aus als erwartet. Während einige Bürgermeister aus den Reihen der Linkspartei mit Unterstützung durch LINKE-Abgeordnete vor dem Landtagsgebäude standen und ein Transparent mit der Aufschrift »Schutzschirm für Kommunen« hochhielten, beschränkte sich der Protest der meisten ihrer Amtskollegen auf eine Teilnahme an der Anhörung im Haushaltsausschuss. Über den Haushaltsplan 2011 berät das Landtagsplenum bis zum Freitag.

Wind um Ilmkreisrebellen

Dabei hatte eine Thüringer Lokalzeitung einen »Aufstand der Bürgermeister im Ilmkreis« angekündigt. Hintergrund des Berichts war eine Versammlung von Bürgermeistern aus dem Ilmkreis im Rahmen des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes (GSTB), während der viel Empörung über die zunehmende Finanzknappheit von Städten und Gemeinden im Freistaat laut wurde.

So ärgerte die versammelten Kommunalpolitiker, von denen viele der CDU oder der SPD angehören, dass die CDU/SPD-Landesregierung mit »Taschenspielertricks« im Landeshauhalt die Zuweisungen an die Gemeinden weiter kürzen wolle. Dabei habe die Regierung ihr Versprechen, den Städten und Gemeinden Mehrausgaben für die gewollte bessere Kinderbetreuung zu erstatten, nur teilweise eingehalten. Die Differenzbeträge müssten die Kommunen selbst aufbringen, obwohl ihre Kassen schon leer seien.

Dies führe dazu, dass mindestens jede zweite Kommune nun die Elternbeiträge für die Kitas erhöhen werde, erklärte dabei Beate Misch (CDU), Vorsitzende der Verbandsgemeinde Langer Berg. Sie verlangte von der Landesregierung die Einhaltung des Versprechens, die Mehrkosten zu übernehmen. Die dürften nicht den Kommunen oder den Eltern aufgebürdet werden. Weiterer Stein des Anstoßes sind für die Bürgermeister die »fiktiven Steuern«. Sie bemängeln, dass die Erfurter Regierung bei der Zuweisung der gekürzten Landesmittel stillschweigend voraussetzt, dass die Kommunen ihre Gewerbe- und Grundsteuern deutlich erhöhen. Dementsprechend wurden die Landeszuschüsse gekürzt. Gerade im ländlichen Raum jedoch wollen die Bürgermeister diese Erhöhungen ihren Gewerbetreibenden vor Ort nicht zumuten.

Rasch waren sich die Bürgermeister im Ilmkreis Anfang letzter Woche daher einig, dass Gespräche mit Landtagsabgeordneten nicht ausreichen. So riefen sie dazu auf, »gemeinsam am 7. Dezember in Erfurt für eine gerechte Finanzausstattung der Kommunen zu demonstrieren«.

Der Landtagsabgeordnete Frank Kuschel, kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion, unterstützte das Anliegen der Bürgermeister an Ort und Stelle. Besonders fragwürdig sei das Verhalten der mitregierenden SPD, die sowohl im Thüringer Bündnis für eine bessere Familienpolitik als auch im Landtagswahlkampf 2009 eine Erhöhung der Kita-Gebühren ausgeschlossen hatte.

»Wenn jetzt die SPD aus den Reihen des Bündnisses ausschert, um sich die parteipolitischen Pfründe am Tisch mit der CDU zu sichern, ist das ein Schlag ins Gesicht derer, die über viele Wochen hinweg Unterschriften gesammelt haben«, so Kuschel in Anspielung auf das zurückliegende Volksbegehren für eine bessere Kita-Ausstattung, das nach entsprechenden Zusagen der SPD abgebrochen worden war.

Farce im Landtag

Seine Fraktion, so Kuschel, werde erneut einen Antrag stellen, der auf eine wirkliche Lösung der Kita-Probleme abziele: »Sollte die SPD den Antrag aus machtpolitischen Interessen erneut ablehnen, müssten die Sozialdemokraten vor Ort erklären, weshalb ihre Partei eine Belastung der Kommunen und der Eltern durch höhere Kita-Beiträge billigend in Kauf nimmt.«

Als »Farce« bezeichnete Kuschel auf ND-Anfrage auch die gestrige Anhörung, zumal kein einziger der angereisten rund 150 Bürgermeister im Haushaltsausschuss Rederecht bekam. Zudem hatte der Ausschuss die Beschlussempfehlung an das Landtagsplenum bereits am vergangenen Donnerstag abschließend beraten.

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