Grippe oder Erkältung?

Ärzte warnen vor übermäßigem Gebrauch antiviraler Medikamente

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie immer um diese Jahreszeit leiden viele Menschen unter Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Und mancher fragt sich bang: Habe ich »nur« eine Erkältung oder sind das die ersten Anzeichen einer handfesten Grippe? Davon hängt entscheidend die Wahl der Therapie ab.
Vorsicht, Schnupfnase!
Vorsicht, Schnupfnase!

Schon die Herkunft des Wortes »Grippe« macht auf ein typisches Kennzeichen dieser Viruserkrankung aufmerksam. Denn es ist abgeleitet von dem französischen »grippe« für »Grille« oder »Laune« und soll ausdrücken, dass diese Krankheit uns plötzlich und launenhaft befällt. Anders als bei einer »gewöhnlichen« Erkältung, die eher schleichend beginnt und deren Symptome sich nach und nach verstärken, klagen Menschen mit Grippe gleich im Anfangsstadium über ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Dazu kommen starke Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber. Aber auch ein trockener Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen sind für eine Grippe typisch.

Zur Sicherheit sollte jeder, der diese Symptome bei sich feststellt, zum Arzt gehen, da die Grippe, auch Influenza genannt, keineswegs eine banale Erkrankung ist. Zwar klingen die Beschwerden bei den meisten Betroffenen nach ein bis zwei Wochen wieder ab. Bei älteren Menschen oder solchen mit geschwächtem Immunsystem kann es jedoch leicht zu Komplikationen kommen, die oftmals lebensbedrohlich sind. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr zwischen 5000 und 16 000 Personen an den Folgen der Wintergrippe.

Will man eine Grippe wirksam mit Medikamenten behandeln, ist es wichtig, dass die Betroffenen möglichst rasch zum Arzt gehen. Denn die heute verfügbaren antiviralen Mittel müssen innerhalb von zwei Tagen nach dem Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden. Das gilt namentlich für die Neuraminidasehemmer Oseltamivir (Handelsname »Tamiflu«) und Zanamivir (Handelsname »Relenza«), die im menschlichen Körper ein Enzym blockieren, welches für die Freisetzung neuer Viruspartikel aus infizierten Schleimhautzellen verantwortlich ist. »Nach 48 Stunden haben Neuraminidasehemmer keinerlei Wirkung mehr«, erklärt der Wiener Infektiologe Florian Thalhammer, der zugleich davor warnt, antivirale Medikamente allzu sorglos zu verschreiben. Besondere Vorsicht sei bei Risikogruppen wie Schwangeren, Kindern unter fünf Jahren und Patienten mit chronischen Erkrankungen geboten. Nicht minder fahrlässig wäre die Anwendung von Virushemmern bei einfachen Erkältungen, da hier die Gefahr besteht, dass sich vermehrt Resistenzen ausbilden. Nach einer neuen Studie der US-Gesundheitsbehörde ist die Zahl der Grippeerreger, die gegen die vorhandenen Medikamente resistent sind, in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen.

Die meisten Grippekranken hierzulande dürften auf Virushemmer ohnehin verzichten, da diese oft unangenehme Nebenwirkungen haben. Um aber zumindest die starken Kopf- und Gliederschmerzen bei einer Grippe zu dämpfen, empfehlen Ärzte die Einnahme von Schmerzmitteln mit fiebersenkender Wirkung. Wobei zu bedenken gilt, dass ein moderates Fieber die Immunabwehr bei ihrem Kampf gegen die eingedrungenen Erreger unterstützt. Erst wenn die Körpertemperatur die 39-Grad-Marke überschritten hat, ist es angebracht, das Fieber medikamentös zu senken. Darüber hinaus sollten Grippekranke möglichst viel trinken, nicht rauchen und körperliche Anstrengungen meiden. »Bleiben Sie aber nicht den ganzen Tag im Bett liegen«, rät Klaus Tiedemann, Allgemeinmediziner aus Moosburg: »Im Bett wird durch die flache Atmung die Lunge schlecht belüftet und schlecht belüftete Lungenpartien sind die ideale Voraussetzung für eine Lungenentzündung.«

Überhaupt ist die Gefahr groß, dass eine Grippe von bakteriellen Infektionen begleitet wird, die gegebenenfalls den Einsatz von Antibiotika erfordern. Aber auch Personen, die eine Grippe nicht richtig auszukurieren und ihren Körper zu früh belasten, sind gefährdet. Denn sie riskieren, dass die noch vorhandenen Influenzaviren eine Herzmuskelentzündung auslösen, aus der nicht selten eine bleibende Herzschwäche resultiert.

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