Krake Paul übertraf alle

Astrologen und Hellseher scheiterten auch 2010 kläglich

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Terroristen kidnappen die Air Force One, das Flugzeug des US-Präsidenten. In Südamerika treiben riesige Fledermäuse ihr Unwesen und versetzen Menschen in Angst und Schrecken. Forscher finden das sagenumwobene Atlantis und US-Außenministerin Hillary Clinton erhält den Nobelpreis. All diese Prognosen für das Jahr 2010 stammen aus der Feder der kanadischen »Seherin« Nikki Pezaro und gingen ebenso wenig in Erfüllung wie die meisten Orakel anderer »Wahrsager«. Zu diesem Ergebnis kommt der Wuppertaler Mathematiker Michael Kunkel, der im Auftrag der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) eine Vielzahl von Prognosen ausgewertet hat.

Immerhin gibt es in Deutschland rund 20 000 Astrologen, Wahrsager und Hellseher, die für ihre Dienste jährlich über 500 Millionen Euro kassieren. Um diese Einnahmequelle nicht unnötig zu gefährden, formulieren viele »Zukunftskundige« ihre Prognosen so vage, dass sie fast immer in Erfüllung gehen. So geschah es auch im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Die deutsche Nationalelf komme zwar weit, erklärte die »Wahrsagerin« Ramona Kreis, sie werde aber nicht Weltmeister. Auch andere »Seher« beließen es bei der Feststellung, dass für das Löw-Team wohl ein Platz unter den ersten Dreien möglich sei. Kunkel zeigt sich dann auch enttäuscht: »Wer behauptet, tatsächlich in die Zukunft schauen zu können, sollte das Ergebnis schon ein wenig genauer vorhersagen können und sich nicht hinter Konjunktiven verstecken.«

Einen Prognosestar gab es in Deutschland dennoch: Orakelkrake Paul aus dem SeaLife-Aquarium in Oberhausen (Foto: dpa/Weihrauch). Bei allen Spielen der deutschen Mannschaft sowie im Finale setzte er auf den richtigen Sieger. Im Prinzip hätte dies auch ein menschlicher »Seher« tun können, ohne dafür übernatürliche Fähigkeiten zu benötigen. Denn selbst unwahrscheinliche Trefferfolgen beruhen letztlich auf dem Zufall.

Wie in den Jahren zuvor mangelte es auch 2010 nicht an Terrorprognosen. Während der Palmblattdeuter Thomas Ritter für den Sommer Raketenangriffe auf Flugzeuge in Berlin und Frankfurt am Main voraussagte, begnügte sich die österreichische Astrologin Susanne Eder mit der Aussage, es werde »Glaubenskriege sowie extremen Fanatismus, Terroranschläge und andere Extreme« geben. Bei derart schwammigen Nonsensprognosen, meint Kunkel, sei es leicht, diesen im Rückblick nach Belieben reale Ereignisse zuzuordnen. Das tat jetzt auch Eder und erklärte ihre Voraussage bestätigt »durch die Vulkankatastrophe von Island, die Ölkatastrophe vor der US-Küste und das Hochwasser im Juni 2010 in Europa«. Warum, darf man jedoch fragen, hat sie diese Ereignisse nicht gleich konkret prophezeit?

Traditionell beliebt in der Hellseher-Branche sind Orakel über Stars und Prominente. Demnach hätten 2010 sowohl George Clooney als auch Fürst Albert von Monaco heiraten müssen. Beides geschah bekanntlich nicht. Und auch Nikki Pezaros Prophezeiungen, jemand aus Michael Jacksons Familie werde entführt und Cher veröffentliche eigene Nacktfotos, blieben unerfüllt. Einmal wenigstens traf Pezaro ins Schwarze: Sie sagte die Scheidung von Golfprofi Tiger Woods voraus.

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