Musterschüler

Zine el-Abidine Ben Ali / Der tunesische Präsident ist erstmals in Schwierigkeiten

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Als er 1987 die Macht übernahm, war Zine el-Abidine Ben Ali im Wortsinne ein Überraschungscoup gelungen. Mit seinem Putsch hatte kaum jemand gerechnet, nicht die arabischen Nachbarn, nicht die Freunde in Westeuropa und offensichtlich auch nicht der »Präsident auf Lebenszeit«, Habib Bourguiba. Dessen Absetzung verlief geräuschlos, unblutig und – jedenfalls nach außen hin – beinahe harmonisch. Die Sicherheitsleute des Präsidenten musste Ben Ali nicht fürchten, denn deren Chef war er als ehemaliger Geheimdienstboss und Innenminister lange selbst gewesen.

Ben Alis Karriere, heute 74-jährig, gleicht der der meisten in jener Zeit an die Macht gelangten arabischen Präsidenten: Geboren in ärmlichen Verhältnissen – in seinem Fall in der Ostküstenstadt Sousse –, nach der Schule Eintritt in die Armee, Ausbildung auch in Frankreich und den USA zum Offizier, nach Rückkehr Berufung auf Regierungsposten. Als er putschte, war er schon Ministerpräsident.

Die Beunruhigung darüber in Bonn, Paris und Rom war damals nur kurz. Tunesien als Hort der Unternehmerfreundlichkeit zwischen den dem Westen suspekten Revolutionsregierungen in Algerien und Libyen gelegen, dazu als preiswerte Urlaubsalternative zum nördlichen Mittelmeer blieb ihnen erhalten. Und mehr als das. Ben Ali war geradezu ein marktwirtschaftlicher Musterschüler, großzügig gegenüber Kapitalflüssen, hart gegen Gewerkschaften.

Gegen Versuche, dem Islam im politischen wie im öffentlichen Leben zu einer Renaissance zu verhelfen, ging Ben Ali mit eiserner Faust vor, verhinderte so zwar ein Abgleiten des Landes in Bürgerkrieg und Terror wie es Algerien in den 90er Jahren erlitt, allerdings erledigte er gleichzeitig sämtliche politische Opposition im Lande. Er änderte die Verfassung, um gewählt und wiedergewählt werden zu können, wurde es mit Ergebnissen zwischen 89 und 95 Prozent. Seit 2009 steht er in seiner fünften Amtszeit. Kritische Kommentare der westlichen Wertegemeinschaft blieben Ben Ali stets erspart. Erst jetzt, wo Demonstranten dem nunmehr 24-jährigen System Ben Ali unüberhörbar Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft vorwerfen, bemerkt man das auch in der EU und runzelt etwas die Stirn.

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