Berlin hofiert die Besetzer der Westsahara

Die deutsch-marokkanischen Beziehungen florieren nicht nur während der Grünen Woche

  • Axel Goldau
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin präsentierte sich das Königreich Marokko von seiner besten Seite – mit Wellness-, Bienen-, Obst- sowie Fleisch- und Milchprodukten. Die Ausstellung hatte indes einen gewaltigen Haken: Bei der kartografischen Präsentation verleibte sich Marokko unverblümt die Westsahara ein. Ein aus Sicht der Vereinten Nationen nicht selbstständig regiertes Gebiet – also eine Kolonie.

Marokko fehlt es nicht an Selbstbewusstsein: Etwa 30 Aussteller, einschließlich des Agrar- und Fischereiministeriums machten der Grünen Woche ihre Aufwartung. Marokkanische Regierungsvertreter und privatwirtschaftliche Akteure waren wie immer hoch willkommen: Marokkos Agrar- und Fischereiminister Aziz Akhenouch war einer unter den etwa 50 Teilnehmern beim Berliner Agrarminister-Gipfel am 22. Januar am Rande der Grünen Woche und das »Global Forum for Food and Agriculture« wurde von über 30 Vertretern Marokkos aus Politik und Ernährungswirtschaft besucht.

Bei all dem kein Thema: die Westsahara. Dieses nicht selbstständig regierte Gebiet war bis 1975 eine spanische Kolonie. Spanien hat nicht zugelassen, dass die betroffenen Menschen der Kolonie gemäß geltendem Völkerrecht wie in der Resolution 1514 der UN-Vollversammlung bereits 1960 festgelegt, »entsprechend ihrem Willen und ihren frei geäußerten Wünschen […] völlige Unabhängigkeit und Freiheit genießen«. Als die alte Kolonialmacht ging, kam die neue: das Königreich Marokko. Marokko beruft sich auf historische Bindungen zwischen der Westsahara und dem Königreich. Dieser Auffassung hat allerdings der Internationale Gerichtshof 1975 widersprochen.

Marokko ist dabei, sich mit Gewalt zu nehmen, was ihm völkerrechtlich nicht zusteht. Dabei verletzt es immer wieder massiv die Menschenrechte an der sahrauischen Bevölkerung, den eigentlichen Bewohnern der Westsahara. Unter Duldung vor allem der UN-Vetomächte Frankreich und den USA werden Schritt für Schritt Fakten geschaffen, die eine Annexion bedeuten.

Heute ist die Westsahara ein geteiltes Land: Marokko hat sich Zugang zu etwa zwei Drittel des Territoriums im Westen und zu den wichtigsten Ressourcen des Landes verschafft: Phosphat aus der Mine von Bu Craa im nördlichen Landesteil Saguia El Hamra sowie reiche Fischvorkommen vor der über tausend Kilometer langen Küste.

Es ist kein Zufall, dass das marokkanische Kolonialregime gerade jetzt in Berlin hofiert wird: In Brüssel ist noch nicht entschieden, ob sich das völkerrechtswidrige »Fischereipartnerschaftsabkommen zwischen der EU und dem Königreich«, das EU-Schiffen auch das Abfischen der See vor der Westsahara erlaubt, in dieser Form noch aufrechterhalten lässt, und die Kommission drängt auf ein Agrar-Freihandelsabkommen, das ebenso die Westsahara mit einschließen soll. Aus Sicht der mehrfach mit internationalen Menschenrechtspreisen ausgezeichneten Aminatú Haidar »… haben solche Abkommen leider nur zur Verschärfung der Unterdrückung der saharauischen Bevölkerung durch Marokko geführt«.

Sämtliche Bundesregierungen sind hier nie als ernsthafte Verteidiger des Völkerrechts und der Menschenrechte aufgefallen, eher haben sie die marokkanischen Ansprüche klammheimlich akzeptiert. Einen gewissen Höhepunkt setzte Bundesaußenminister Westerwelle als er nur sieben Tage nach den Massakern im Zusammenhang mit der gewaltsamen Beendigung friedlicher Proteste in der Westsahara bei einem Staatsbesuch in Rabat die exzellenten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen dem Königreich und der Bundesrepublik in den höchsten Tönen lobte.

Und weitere Solidarität der Berliner Messe mit dem marokkanischen Kolonialregime deutet sich schon an: Vom 9. bis 11. Februar wird unter anderem das französisch-marokkanische Unternehmen Azura auf der Internationalen Messe für Früchte- und Gemüsemarketing Fruit Logistica erwartet. Azura hat sich vor allem auf Tomaten außerhalb der europäischen Saison spezialisiert und baut seit 2006 auf einer Fläche von 200 Hektar im besetzten Dakhla Tomaten für den europäischen Markt an.

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